Das Blut Des Daemons
Cranier. Und ich liebe dich. – Musst du mehr wissen?«
Ich schluckte die Tränen unter, die plötzlich in meiner Kehle brannten, und erinnerte mich an das Versprechen, das ich mir selbst gegeben hatte: Ich würde in Juliens Gegenwart nicht weinen. »Nein«, flüsterte ich. Mit jenem kleinen Lächeln lehnte er sich noch näher zu mir und küsste mich abermals zart. Ein Schaudern rann durch meine Glieder. Julien gab meinen Mund frei, brachte, ohne mich wirklich loszulassen, ein bisschen Distanz zwischen uns und musterte mich.
»Dir ist kalt. Deine Lippen sind ganz blau. – Hier.« Er schob mich ein kleines Stück weiter von sich fort, setzte sich gleichzeitig ein wenig auf – bei der Bewegung klirrte die Kette an seinem Bein – und streifte seinen Pullover über denKopf. Dunkle Flecken kamen über seinen Rippen zum Vorschein – auf beiden Seiten seiner Brust. O mein Gott. Ich streckte die Hand danach aus. Jetzt war mir wirklich kalt. Und dann hatte er mich vorhin noch hochgehoben? Er hatte gesagt, Vlad hätte ihn trinken lassen, als er ihm die Geige gebracht hatte – allein dafür war ich bereit, meinem Großonkel noch einmal eine Chance zu geben –, warum waren die Verletzungen dann noch nicht vollständig geheilt? Wie schwer waren sie davor gewesen? Julien fing meine Hand ab, ehe ich ihn berühren konnte.
»Nicht. Das ist nicht mehr von Bedeutung.«
Nicht mehr von Bedeutung. Ich sah ihn an, ohne einen Laut hervorzubringen.
»Hier.« Er zog mir seinen Pullover an, wie man es bei einem kleinen Kind tat; schob mir eine Hand nach der anderen durch die Ärmel, meinen Kopf durch den Halsausschnitt, zog den Stoff herunter und zurecht. Ich saß einfach da, ließ alles geschehen. Auch als er sich wieder gegen die kalte Betonwand hinter uns lehnte und mich in seine Arme zurückholte. Seine Wärme umgab mich, hüllte mich ein – und trieb mir die Tränen in die Augen. Ich würde nicht weinen! Die Augen fest geschlossen schmiegte ich mich enger an ihn, versuchte ihm so viel wie möglich von meiner Wärme abzugeben, ohne ihm dabei zusätzlich wehzutun.
Ich liebe dich, Julien Du Cranier. Er küsste meine Schläfe, als habe er meine Gedanken gehört.
Nach einem Moment jedoch zwang ich mich ihn wieder anzusehen. Da war noch etwas, das ich wissen musste: »Was soll ich mit dem Blut machen? Willst du …« Er legte seine Hand über meine und verhinderte, dass ich es hervorzog.
»Behalte es. Ich … weiß nicht, was … danach sein wird, deshalb: Behalte es. Ich überlasse dir, was du damit tust. Ganz sicher werde ich dich nicht bitten, an meiner Stellesein neuer Hüter zu sein. Der Rat hält es für verloren, also«, ein Schulterzucken, »spricht theoretisch nichts dagegen, wenn du es einfach den nächsten Ausguss hinunterspülst.« Ich schnappte nach Luft. Seine Finger drückten meine ein wenig fester. »Aber wenn du es behältst, dann bitte ich dich, niemandem jemals zu erzählen, dass es noch existiert. – Versprichst du mir das?«
Ich nickte und bettete meinen Kopf wieder gegen seine Schulter. Verzeih mir, Julien.
»Ich danke dir.« Sein Mund streifte mein Haar, während er zugleich seinen Griff lockerte – nur um unsere Finger ineinander zu verschränken. Abermals presste ich die Lider zusammen und schluckte gegen das Brennen in meinem Inneren an.
Eine seltsame Stille lag über uns. Ein Schweigen, das keines war, weil wir zusammen waren. – Friedlich. Endgültig. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein und zerrann uns zugleich unter den Händen.
Ich spürte, wie die Nacht immer weiter verging, und dennoch saß ich einfach nur da, an Julien geschmiegt – und versuchte mir den Geruch seiner Haut einzuprägen, wie sie sich unter meiner Wange anfühlte; die Berührung seines Kinns auf meinem Scheitel; seine Hand auf meinem Rücken; wie sein Atem über mein Haar strich; sein Arm um mich lag und mich festhielt; den Klang seiner Stimme, wenn er etwas sagte, die Erinnerungen an unsere gemeinsamen Stunden wachrief – bei einem Ausflug auf seiner Blade, entspannt und träumerisch auf der Veranda des Anwesens oder vor dem Kamin – das Geräusch seines Herzschlages, das seiner Atemzüge; den Geschmack seines Mundes, wenn er mich von Zeit zu Zeit küsste – sanft und zart und zugleich mit jedem Mal hungriger und … verzweifelter; den Duft seines Blutes so dicht unter seiner Haut … jede Einzelheit, jedes nochso kleine Detail. Es würde alles sein, was mir von ihm blieb. Erinnerungen. Der Gedanke schnürte meine
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