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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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dankbar für diese Gnade. Dennoch wollte etwas in mir nur noch schreien. Ich schluckte den Schrei unter, beugte mich ein wenig weiter zu Julien, strich sanft von seiner Schläfe, über die Wange abwärts bis zu seinem Kiefer. Ich schmeckte die Tränen salzig in meinem Mund. Vorsichtig nahm ich die Hand fort. Asche war an meinen Fingerspitzen hängen geblieben. Es war vorbei. Alles!
    »Du bist in Sicherheit.« Die Tränen erstickten die Worte zu kaum mehr als einem Flüstern. »Jetzt kann dir niemand mehr etwas tun.«
    Es war vorbei. – Und den Rest würde ich auch noch beenden. Aber vorher gab es noch eine Sache …
    Ich musste einen Moment tasten, ehe ich den Verschluss meiner Kette fand, und ich brauchte zwei Versuche, bis ich ihn endlich offen hatte. »Ich … Ich kann es nicht verwahren.« Mit einem leisen Klingen schlugen das Amulett und das schmale Röhrchen gegeneinander, als ich es unter meinem Shirt hervorhob und vor mir ein kleines Stück in die Höhe hielt. »Sie wollen es mir wegnehmen. Sie …« Ich lachte, leise und bitter. Es klang falsch. »Nein, nicht sie . Gérard. Er .. er weiß, dass ich es habe. – Es tut mir leid, Julien.« Sekundenlang beobachtete ich, wie sich das Kerzenlicht in dem Gold fing, bevor ich es schließlich behutsam auf seine Brust sinken ließ. »Du musst es mitnehmen. Wo auch immer Adrien dich hinbringt.« Ein wenig zögernd beugte ich mich vor, lehnte mich schließlich über ihn.
    »Geh nicht zu weit! Hörst du?« Vorsichtig, als könne ich ihm immer noch wehtun, schob ich meine Hände unter seinen Nacken und schloss die Kette wieder. »Geh nicht zu weit auf der anderen Seite. Ich komme nach. Warte auf mich.« Sein Kopf fiel ein wenig mehr zur Seite, meine Fingerstreiften seine Wange. Ich müsste sie nur drehen … Seine Wange schmiegte sich ebenso in meine Handfläche, wie er es früher so oft getan hatte. »Versprich es mir.« Ich schluchzte auf. »Ich komme nach, sobald ich kann. Bitte warte auf mich. Sei Adrien deshalb aber nicht böse.« Alles verschwamm. »Ich komme nach. Dann wird keiner mehr über uns bestimmen.« Behutsam zog ich die Hand zurück, während ich mir mit der anderen über die Augen wischte. »Dann sind wir endlich frei.« Bebend holte ich Atem, versuchte die Tränen zu beherrschen. »Versprich mir, dass du wartest. Ich habe Angst, mich ohne dich dort drüben zu verlaufen.« Meine Stimme brach. Sanft legte ich das Röhrchen mit dem Rest des Blutes der Ersten und sein St.-Georgs-Amulett auf seiner Brust zurecht. Meine Finger zitterten so sehr, dass ich die Kette im ersten Moment unabsichtlich spannte. Dann zog ich das Leichentuch darüber wieder glatt. Niemand sollte auch nur ahnen können, was Julien mit ins Grab nahm. Seine Hand war an der Seite zwischen den Falten hervorgerutscht; rot, über den Fingerknöcheln schwarz verkohlt. Behutsam hob ich sie unter das Leinen zurück, hielt sie weiter fest. Sacht. Ein letztes Mal. Seine Finger ruhten schlaff in meinen, seltsam nachgiebig. Die Handfläche kühl auf meiner. Auch wenn meine Augen endlich trocken waren, brannten sie noch immer. Ach, Julien.
    Da war noch so viel, was ich ihm hatte sagen wollen; wofür davor nie wirklich Zeit gewesen war, weil wir ja scheinbar genug davon hatten; womit ich unsere letzten Stunden nicht hatte verschwenden wollen. So vieles, was jetzt in meiner Brust brannte. – Ich brachte nichts davon heraus.
    Auf der Treppe erklangen leise, verhaltene Schritte. Adrien. Er kam, um seinen Bruder zu holen. Dabei ging die Sonne doch gerade erst endgültig unter.
    Erneut saßen Tränen in meiner Kehle. Mühsam schluckteich gegen sie an, beugte ich mich noch einmal vor, stützte mich mit der freien Hand neben Julien auf dem rauen, harten Stein ab und küsste ihn ein letztes Mal. So sanft und vorsichtig, wie er es immer bei mir getan hatte. Seine Lippen fühlten sich verwirrend weich an.
    »Ich liebe dich, Julien Du Cranier«, flüsterte ich gegen seinen Mund.
    » Eyes, look your last! / Arms, take your last embrace! «, sagte jemand unvermittelt lachend hinter mir. Die Stimme ließ mich erstarren. Ich hätte sie unter Tausenden erkannt. Nicht Adrien: Gérard!
    Gemächlich trat er von der letzten Stufe und kam näher. Ich konnte seine Schritte auf den Steinplatten hören.
    » And, lips, O you / The doors of breath, seal with a righteous kiss / A dateless bargain to engrossing death! «, deklamierte er in demselben spöttischen Ton weiter. Ich ließ Juliens Hand los, schob die Falten darüber

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