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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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mir mit jedem Blick zu zeigen, wie sehr er mir die Schuld an alldem gab und mich dafür verabscheute.
    Die Hände an meinen Seiten zu Fäusten geballt gab ich mir einen Ruck und setzte mich in Bewegung, an dem Wächter, den der Rat hier postiert hatte, vorbei, die Treppe hinunter. Schweigend ließ er mich passieren.
    Im Laufe der Jahrhunderte, die dieses Kloster schon existierte, hatten unzählige Füße die Stufen hinab in die Katakomben ausgetreten und glatt geschliffen. In regelmäßigen Abständen brannten in Nischen oder auf schmalen Vorsprüngen Wachsstöcke, die alles in unruhiges Licht tauchten. Auf viereckigen kleinen Steintafeln in der Wandverkündeten mir nach wie vor unbekannte Schriftzeichen die Namen der Lamia, deren Gräber hier vor langer Zeit in den Felsen getrieben worden waren.
    Auf der letzten Stufe zögerte ich erneut, warf einen hastigen Blick über die Schulter zurück nach oben – und trat schließlich durch den Türbogen. Eine einzelne dicke Kerze auf einem mannshohen eisernen Kandelaber direkt daneben erhellte den vorderen Teil eines Gewölbes, dessen Ende sich in der Dunkelheit jenseits des Lichtscheins verlor. Gemauerte Säulen reckten sich gegen die Decke. Quadratische Steinplatten bedeckten den Boden, einige gesprungen und mit Rissen durchzogen, von anderen waren Ecken abgebrochen oder Kanten abgesplittert. Ein Halbrund von drei oder vier Metern direkt hinter dem Eingang war frei. In unregelmäßigen Abständen standen steinerne Sarkophage in dem Gewölbe. Wie viele es waren, konnte ich nicht abschätzen. Das Licht erreichte nur die vorderen drei. Auf dem mittleren lag Julien, eingewickelt in ein einfaches weißes Leichentuch. Der Geruch nach verbranntem Fleisch hing in der Luft. Ich schloss für eine Sekunde die Augen. Meine Kehle war eng und schmerzte, als hätte ich stundenlang geschrien.
    Ganz langsam ging ich auf den Sarkophag zu. Meine Schritte dröhnten in meinen Ohren – oder war es mein Herzschlag? Mit jedem wurde der bitter-scharfe Geruch nach verbranntem Fleisch stärker. Der Kerzenschein huschte über die Wände und die Decke. Warum war mir zuvor nicht aufgefallen, wie kalt es hier unten war?
    Die Steinplatte des Sarkophags stieß gegen meine Hüfte. Hart, unnachgiebig, kalt. Der Rand war mit den gleichen Schriftzeichen eingefasst, die auch die Tafeln entlang der Treppe zierten. An einigen Stellen hatte das Leichentuch rosige oder gelbliche Flecken, wirkte … feucht. Um ein Haar hätte ich mich umgedreht und wäre die Treppe wiederhinaufgeflohen. Stattdessen presste ich die Finger auf den Stein. Ich zitterte. Das Tuch war nicht einfach nur über Julien gebreitet, er war hineingewickelt worden. Adrien! Wer sonst sollte das übernommen haben. Die Ecke des letzten Stückes war über sein Gesicht gebreitet und mit der Spitze unter eine Falte auf seiner Brust geschoben. Sekundenlang starrte ich darauf. Hoffte zu sehen, wie der Stoff sich vielleicht unter Atemzügen – so schwach sie auch sein mochten – hob und senkte. Weil Julien der Sonne irgendwie widerstanden hatte; weil er den Rat irgendwie genarrt hatte …
    Da war nichts. Nichts! – Nur meine lächerlichen Wünsche und Hoffnungen.
    Ich streckte die Hand nach der Ecke des Leichentuchs aus. Zog sie zurück. Ballte sie nur knapp darüber in der Luft zur Faust. – Ich wollte es nicht sehen. Nicht sehen, was die Sonne Julien angetan hatte. Julien! Das in diesem Tuch war Julien! Mein Julien. Ich liebte ihn. Daran würde nichts – gar nichts! – etwas ändern. Niemals!
    Meine Hand bebte, als ich schließlich das Stück des Leichentuchs anhob, das über seinem Gesicht lag. Beinah hätte ich es gleich wieder zurückfallen lassen. Seine Haare waren fort. Wimpern und Brauen ebenso. Seine Lider waren geschlossen. Langsam schlug ich es endgültig zurück. Tränen saßen würgend in meiner Kehle. Ich musste die Lippen zusammenpressen, um sie zurückzuhalten. Mit aller Kraft. Irgendwie. Sein Kopf war ein winziges Stück zur Seite gesunken, fast als würde er mir das Gesicht zuwenden. Etwas rann heiß und nass über meine Wangen, sammelte sich an meinem Kinn, tropfte hinunter. Rotes, verbranntes Fleisch, dazwischen Stellen, deren Ränder schwarz verkohlt waren. Ich hob die Hand zu seiner Wange. Meine Fingerspitzen schwebten nur Millimeter darüber. Ohne ihn zu berühren. Ach, Julien! Ich schloss die Augen, öffnete sie wieder. DasLicht der Kerze reichte nicht aus, um mir das ganze Ausmaß seiner Verbrennungen zu zeigen. Ich war

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