Das Blut Des Daemons
verklebt, sodass nicht das kleinste bisschen Licht in die Passagierkabine drang. Vielleicht hatte er begriffen, dass ich mich an Bord eines kleinen Privatjets nicht wirklich weit von ihm entfernen konnte, oder der Sonnenaufgang hatte ihn so müde gemacht, dass er sich einfach nicht mehr auf den Beinen hatte halten können. Zumindest hatte er mich, kaum dass die Sonne draußen über dem Horizont erschienen sein musste,losgelassen, hatte es gerade noch zu der Sitzbank geschafft, war auf ihr regelrecht zusammengebrochen und beinah sofort in einen komaartigen Schlaf gefallen.
Im ersten Moment war ich wie gelähmt gewesen. Er hatte so vollkommen regungslos dagelegen, dass man hätte glauben können, er sei tot. Erst als ich sah, dass seine Brust sich in regelmäßigen – wenn auch flachen und unendlich langsamen – Atemzügen stetig hob und senkte, hatte mein Entsetzen nachgelassen. Seitdem saß ich auf meinem Sitz und schaute ihm beim Schlafen zu. – Und fragte mich, wie es weitergehen sollte? Nein. Nein, ich fragte mich nicht nur, wie es weitergehen sollte: Ich hatte Angst!
Wenn der Rat wollte, konnte er uns das Leben zur Hölle machen – oder uns einfach beseitigen lassen. Sie würden sich nicht darum scheren, falls Vlad, Radu und Mircea oder auch Olek und seine Familie gegen ein Todesurteil protestieren würden. Egal ob ich die Princessa Strigoja war oder nicht. Und auch wenn ich wüsste, wie ich diese entsetzliche Macht unter Kontrolle bringen könnte … selbst mit ihr würde ich Julien und mich nicht beschützen können. Wir mochten uns nicht mehr direkt in ihren Klauen befinden, aber wir waren noch lange nicht in Sicherheit.
Vielleicht erwarteten uns in Ashland Falls ja schon Vourdranj – solche, die sich nicht gegen den Rat gestellt hatten –, um mich zu beseitigen und Julien irgendwohin zu bringen, wo sie ihn einsperren und für ihre Versuche benutzen würden. Julien … Ich wusste noch immer nicht, ob er begriff, was hier geschah. Allein bei dem Gedanken zog sich etwas in meiner Brust zusammen. In der ganzen Zeit hatte er kein Wort gesprochen. Was hätte ich nicht darum gegeben, zu erfahren, ob er nicht mehr in der Lage dazu war, weil die Sonne und die Flammen etwas in seinem Mund oder seinem Hals zerstört hatten, oder ob sein Verstand bei alldem sosehr Schaden genommen hatte, dass er es nicht mehr konnte . War überhaupt noch etwas von dem Jungen, den ich liebte, in diesem verbrannten Körper? Oder hatte ich es nur … nur noch mit einer Kreatur, kaum mehr als … als einem wilden Tier zu tun, die sich aus Gründen zu mir hingezogen fühlte, die sie selbst nicht kannte?
Ich betete, dass es nicht so war. Ich liebte Julien! – Aber ich war mir nicht sicher, ob ich lieben konnte, was die Sonne mir gelassen hatte, wenn das, was ihn ausgemacht hatte, fort war. Sooft ich diesen Gedanken in den letzten Stunden auch verdrängt hatte – er kam immer wieder. Weil ich davor noch mehr Angst hatte als vor allem, was der Rat vielleicht tun könnte.
Das Klacken der Cockpittür riss mich aus meinem Grübeln. Oleks Pilot, ein schlanker Mann Mitte dreißig, kam auf mich zu. Der Geruch seines Blutes drang zu mir – ohne jedoch jenen vagen Schmerz in meinem Oberkiefer zu wecken. Und das, obwohl in den letzten Tagen fast mehr von mir getrunken worden war, als ich selbst getrunken hatte. Ich nahm die Füße vom Sitz. Als er mich erreicht hatte, hielt er mir ein Handy entgegen.
»Monsieur Nareszky für Sie.«
»Danke.« Meine Hand bebte, als ich es ihm abnahm.
Er nickte nur. »Lassen Sie es einfach auf dem Tisch liegen.« Es entging mir nicht, wie sein Blick ganz kurz zu Julien zuckte. Selbst jetzt rührte der sich nicht. Hatte Olek den Mann nicht nur auf unser Kommen vorbereitet, sondern auch darauf, dass einer seiner Passagiere eine wandelnde Brandleiche sein würde? War die silbrige Branddecke, auf der Julien lag, seiner Sorge um einen verletzten Passagier geschuldet oder nur ein Versuch, die Ledersitze seines Jets zu schützen? Erneut nickte er mir zu, drehte sich um und ging zum Cockpit zurück.
Nach einem letzten Zögern hob ich das Handy ans Ohr.
»Ja?«
»Dawn! Hallo, Olek hier.« Die Verbindung war nicht die allerbeste, aber gut genug, dass ich ihn relativ deutlich verstehen konnte. Ich atmete innerlich auf. Auch wenn es ziemlich unwahrscheinlich gewesen war: Monsieur Nareszky hätte ebenso gut sein Vater oder Großvater sein können – und das hätte bedeutet, dass die Fürsten ihre Wut an ihm und
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