Das Blut Des Daemons
sonst so genau wissen sollen, welche Farbe deine Augen hatten?«
April war seine erste Freundin an der Montgomery gewesen. Ziemlich genau drei Tage lang. Und an jenem DVD-Abend bei Neal hatte er » die Dunkelblonde mit den graubraunen Augen« zu mir gesagt.
»Und trotzdem hast du mich auf dem Peak damals einfach stehen lassen?«
»Dass du mich nicht gesehen hast, bedeutet nicht, dass ich nicht da war. Wenn auch in sicherer Distanz. – Und glaub mir, es war besser so. Obwohl ich erst von Beth getrunken hatte, war dein hübscher kleiner Hals in dem Augenblick eine beängstigend große Versuchung. – Und ich war mir nicht wirklich sicher, ob ich ihr widerstehen könnte.«
»Du warst … da?«
»Die ganze Zeit. Und ich gestehe: sehr über dein Vokabular erstaunt.«
Ich schloss die Augen und spürte die Hitze in meinen Wangen.
»Wenn es das nicht schon zuvor gewesen wäre: Spätestens da wäre es um mich geschehen gewesen. – Ich lasse dichmitten in der Nacht im Nirgendwo stehen und du … kein ›Bitte, bitte, komm zurück‹. Nein, du fluchst mir hinterher, dass mir die Ohren klingeln.«
Er hatte tatsächlich jedes Wort gehört? – O weh.
»Ich habe versucht mich von dir fernzuhalten. Ich schwöre bei allem, was von der Ehre meiner Familie übrig ist: Ich habe es wirklich versucht. Aber du warst – wie Licht für eine Motte.« Erneut schüttelte er mit jener kleinen Bewegung den Kopf. »Ich habe dich beobachtet. Heimlich. – Mein Gott, ich kam mir so … armselig dabei vor, so erbärmlich. – Aber ich konnte nicht anders. Ich durfte dich nicht haben. Gleichzeitig wollte ich ein Teil von deinem Leben sein. Wenn auch nur für eine kurze Zeit. Ich wollte … irgendetwas von dir. Dass du mich wahrnimmst. Mit mir sprichst. Ein paar Augenblicke, die nur mir gehören würden, an die ich mich erinnern könnte … Und zugleich habe ich mir die ganze Zeit gesagt, dass ich wieder fortgehen muss, zurück nach Dubai, wenn alles vorbei wäre; dass ich dir nur wehtun würde, wenn ich etwas mit dir anfange, nur um dann ohne eine Erklärung zu verschwinden; dass es für dich in meiner Welt keinen Platz gibt; dass ich dich in Gefahr bringe …« Ein weiteres Kopfschütteln. »Letztlich war ich nicht halb so stark, wie ich geglaubt, und nicht einen Bruchteil so ehrenhaft, wie ich gehofft hatte.«
Genau das hatte er – beinah wortwörtlich – zu mir gesagt, als er mich damals im Computerraum – zum zweiten Mal – geküsst hatte.
»Oder ich war zu stur für dich. – Zu einer Beziehung gehören ja immerhin nach wie vor zwei, oder?«, wandte ich leise ein.
Er bedachte mich mit einem dünnen Lächeln.
»Julien?«
»Hm?«
»Nach dieser Nacht im Bohemien , du weißt schon …«
»… als du mich beim Geigespielen überrascht hast, ich dich an die Wand gedrückt und dir fast den Hals gebrochen hätte?«
»Ja. – Warst du in der Nacht noch in meinem Zimmer?« Ich hatte ihm diese Frage schon so oft stellen wollen, aber irgendwie nie den richtigen Zeitpunkt gefunden.
Julien zögerte – dann nickte er und senkte den Kopf. »Ja.«
»Warum? – Und wie bist du ins Haus gekommen? Die Alarmanlage …«
»Die Alarmanlage war nicht schlecht, mehr aber auch nicht. – Und das ›Warum‹ …« Er holte einmal tief Atem und stieß ihn wieder aus. »In der Nacht habe ich Adriens St.-Georgs-Medaillon bei einem Pfandleiher gefunden. Irgendwie wurde die Angst, dass er vielleicht tatsächlich nicht nur verschwunden sein könnte, plötzlich sehr … real. Ich war kurz davor, durchzudrehen. Ich brauchte etwas, woran ich mich … festhalten konnte. Nur du bist mir eingefallen. Also bin ich bei euch eingebrochen. Dir beim Schlafen zuzusehen hat geholfen.«
»Du bist danach aber immer wieder gekommen, oder?«
Der Druck seiner Fingerspitzen an meinen verstärkte sich für einen kurzen Moment, ehe er erneut nickte und mich über unsere Hände hinweg wieder ansah.
»Du hast ziemlich unruhig geschlafen. Ich hatte das Gefühl, dass meine Anwesenheit es besser machen würde. Der Gedanke, dass dich irgendetwas in deinen Träumen quält, obwohl ich es verhindern kann, war mir unerträglich. Also bin ich wiedergekommen, wann immer es mir möglich war – und ich mir selbst über den Weg getraut habe.«
Ich beobachtete, wie er weiter mit meinen Fingern spielte. Auf – zu – auf – zu …
»Hattest du mich nie in Verdacht, dass ich diejenige sein könnte, die du … suchst.«
»Zuerst schon, immerhin hattest du das richtige Alter, aber
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