Das Blut Des Daemons
weinte, bis mein Hals vom Schluchzen wehtat und ich kaum noch Luft bekam. Die ganze Zeit saß Julien mit mir auf dem Boden und drückte mich an sich. Sein Hemd war nass unter meiner Wange, als ich irgendwann zu weinen aufhörte – weil ich schlicht keine Kraft mehr dazu hatte. Und auch als es vorbei war, blieben seine Arme, wo sie waren. Ich war ihm dankbar dafür, lehnte mich schniefend fester an ihn und hielt die Augen geschlossen, so als könne ich damit die Welt aussperren und leugnen, was nicht zu leugnen war: Er hatte recht. Es war vorbei. Ich hatte mir Hoffnung gemacht, wo es keine gab. Und dann hatte ich mich geweigert es einzusehen – und war in meiner Hilflosigkeit auf Julien losgegangen. Weil ich es nicht ertragen hatte. Ich presste die Lider ein klein wenig fester aufeinander. Beinah war ich dankbar für den dünnen brennenden Schmerz, der wieder in meinem Magen saß und sich langsam, aber unaufhaltsam weiter in meinem Inneren ausbreitete und mir die Möglichkeit gab, mich auf ihn zu konzentrieren, und mich – zumindest ein winziges Stück weit – dem würgenden Schuldgefühl entkommen ließ, das sich mit scharfen Krallen um mein Herz geschlossen hatte. Eine ganze Zeit war das Prasseln des Regens an der Scheibe das einzige Geräusch.
»Besser?«
Ich zuckte bei Juliens Frage ein wenig zusammen, obwohl er sehr leise gesprochen hatte, und hob schließlich mit einem schwachen Nicken den Kopf.
Er sah mich an, traurig und zärtlich zugleich, während er mit den Daumen sacht die Tränen von meinen Wangen wischte. An seiner Lippe klebte Blut. Beinah an derselben Stelle, an der einer vom Adriens Hieben sie aufgerissen hatte. Und ich war schuld daran.
»Es tut mir leid.« Mehr brachte ich nicht heraus.
»Das muss es nicht.« Julien zog meinen Kopf zurück an seine Brust. »Und eigentlich muss ich dich um Verzeihung bitten.« Er schloss die Arme fester um mich, ließ nicht zu, dass ich mich abermals von ihm löste. »Es war grausam, dir Hoffnung zu machen, ohne zu wissen, ob es sie überhaupt gibt.« Ich spürte seine Lippen an meiner Schläfe, gleich darauf seine Wange auf meinem Haar. Und wie er tief und irgendwie bebend Atem holte, ehe er weitersprach. »Aber, Dawn, ich werde meine Meinung nicht ändern: Es wird keinen weiteren Versuch geben.«
»Julien …«
»Nein, Dawn, bitte hör mich erst zu Ende an. – Es hilft dir nicht. Im Gegenteil. Es verschlechtert deinen Zustand. So schnell, dass ich beinah dabei zusehen kann.« Seine Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Ich habe Angst, dass ein weiterer Versuch dich vielleicht … tötet.«
Ich presste die Lider zusammen und biss mir auf die Lippe, um den hilflosen Schrei zurückzuhalten, der mit einem Mal in meiner Kehle saß. »Und was wird jetzt?« Meine Worte brachen.
Julien zögerte – sehr lange. »Wir haben nur noch eine Möglichkeit«, sagte er dann leise in mein Haar.
Ich grub mir die Zähne fester in die Lippe.
»Du würdest nie wieder die Sonne sehen, nie wieder ihre Wärme auf der Haut spüren können. Ewige Nacht, Dawn.« Seine Hand strich meinen Rücken auf und ab. »Man sagt, der Hunger ist in der ersten Zeit qualvoller als alles, was du dir vorstellen kannst. Vielleicht sogar qualvoller als deine Anfälle jetzt. Für manche existiert nur noch die Gier nach Blut.« Zitterte sie tatsächlich? »Du wärst eine Vampirin, eine Geschaffene, und du weißt, welche Stellung sie bei vielen Lamia einnehmen. Vlad würde dich zwar beschützen, aber duwärst ihm auch zu absolutem Gehorsam verpflichtet. – Bist du sicher, dass du das willst? Für den Rest einer Existenz, die jahrhundertelang sein kann? Willst du um diesen Preis leben?«
»Warum sagst du mir das?« Ich krallte meine Finger fester in sein Hemd. Allein der Gedanke, nie mehr die Sonne sehen zu dürfen, war für mich unerträglich, und die Vorstellung, Vlad auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein, erfüllte mich mit Angst.
»Weil ich will, dass du den Preis kennst. – Willst du das, Dawn?«
Nein! Nein, das wollte ich nicht. Es gab nur eins, das ich wollte. »Werden sie mich bei dir bleiben lassen?«
Wieder schwieg er für eine Sekunde, zögerte. »Ich glaube … nein«, flüsterte er dann. »Aber ganz egal ob sie es erlauben oder nicht: Ich werde in deiner Nähe sein. Du wirst mich vielleicht nicht sehen, aber ich bin da. Immer. Ich verspreche es.«
Mehr wollte ich nicht! Langsam holte ich Atem und nickte an seiner Brust. »Bring mich nach Paris.«
Julien zog mich fester
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