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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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würde garantiert nicht in alten Wunden bohren und schmerzhafte Erinnerungen an seine Schwerster wecken, indem ich Julien einen solchen Vorschlag machte. Zudem hätte es bedeutet, dass einer von uns aufstehen musste, um ein Buch zu holen. Also blieb nur das Zweite. Julien schien meine Gedanken gelesen zu haben, denn er zog die Fernsehzeitschrift – inklusive der Fernbedienung darauf – mit der Ferse so weit an den Rand des Tisches, dass ich sie erreichen konnte. Ich angelte beides zu uns herüber und nahm mir nach einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr die entsprechenden Seiten vor. Um ein Haar hätte ich ein genervtes Seufzen ausgestoßen. Es war genau so, wie ich befürchtet hatte: Talkshow. Talkshow. Politik. Talkshow. Soap. Soap. Talkshow. Kinderprogramm. Talkshow …
    »Warte mal!« Julien hinderte mich daran, umzublättern. Sein Finger lag neben einer Musiksendung. Offenbar eine Berichterstattung über irgendwelche Independent-Bands, deren Namen mir nichts sagten. Ihm dafür aber wohl umso mehr. Sie lief zwar schon eine gute Viertelstunde, sollte aber noch über eine weitere volle dauern. Wenn Julien ausnahmsweise Interesse am Fernsehprogramm zeigte, war die Entscheidung damit natürlich gefallen. Ich schaltete den Fernseher ein, wählte den Sender und machte es mir an meinem Freund ein wenig bequemer.
    Zu meinem eigenen Erstaunen gefiel mir die Musik der Bands ziemlich gut. Es war – überwiegend zumindest – eine Mischung aus Rock und Klassik. Mitschnitte aus Konzerten wechselten sich mit Interviews und Berichterstattung ab, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf den Live-Auftritten lag – ergänzt durch Kommentare von dem wandelndenMusiklexikon, an dessen Brust mein Kopf ruhte. Dazwischen bekam ich immer wieder einen Stups und die Tasse erschien vor meiner Nase. Zu Anfang hatte ich versucht, mich mit Brummen, Murren und quengelndem »Nein, mag nicht« herauszuwinden, gab irgendwann aber auf und ließ mich von meinem sturen Freund zu winzigen Schlückchen nötigen – bis ich die leere Tasse schließlich auf den Tisch zurückbugsieren durfte.
    Ich merkte, dass etwas nicht stimmte, als Juliens Kommentare nach einem ziemlich langen Konzertmitschnitt ausblieben, blickte zu ihm auf – und erstarrte in der Bewegung, während ich gleichzeitig die Bemerkung unterschluckte, die ich auf der Zunge hatte. Juliens Kopf war nach hinten, gegen die Lehne gesunken, seine Lider geschlossen. Er schlief!
    Ich sog die Unterlippe zwischen die Zähne. Hatte ich ihn jemals schlafen gesehen? – Nein, noch nie. Oder zumindest noch nie wirklich tief und fest. So wie jetzt. Oh, ich war mir sicher, dass auch er schlief, wenn ich in seine Arme geschmiegt mit ihm zusammen in meinem Bett lag, aber bisher war ich stets vor ihm eingeschlafen und nach ihm wieder aufgewacht.
    Im Schlaf wirkte er verblüffend jung – und unendlich viel verletzlicher. Zugleich schienen seine hohen Wangenknochen noch ein wenig schärfer hervorzustehen, als sie es gewöhnlich taten, seine Wimpern dunklere Schatten unter seine Augen zu malen; Spuren von Anspannung und Müdigkeit. Seine Brust hob und senkte sich langsam. Hob und senkte sich. Das Haar hing ihm halb in der Stirn. Wie gern hätte ich die Hand ausgestreckt und mit den Fingerspitzen die Linien seiner dunklen Brauen nachgezeichnet oder die seiner Lippen. Aber ich wagte es nicht, mich zu rühren, ja noch nicht einmal tiefer zu atmen, da ich sicher war, dass er dann sofort aufwachen würde.
    Also lag ich einfach nur reglos da und sah ihm beim Schlafen zu – und wünschte mir die Zeit anhalten zu können. Für ihn und für mich.
    Der Inhalt meines Magens war plötzlich in meinem Mund. Keuchend taumelte ich vom Sofa hoch, schaffte es gerade noch in die Küche und über den Spülstein – dann brach Schwärze über mir zusammen.

    E r starrte auf die Berichte. Die vorherigen Testreihen waren einfach nur wirkungslos gewesen. Diese hier war tödlich. Er ballte die Faust. Die Haut über seinen Knöcheln riss. Fahles Blut – mehr Wasser als Blut – sickerte über die pergamentene Haut. Zwei Tage hatten sie unter Qualen zum Sterben gebraucht. Dass es sich bei den Versuchsobjekten um Lamia gehandelt hatte, die noch immer Sebastien die Treue hielten, machte den Verlust akzeptabel. Ihr Tod aber bedeutete, dass sie mit diesen Ergebnissen nicht weiterarbeiten konnten, ja, dass sie genau genommen noch einmal bei null anfangen mussten. Verdammt! Er brauchte das Halbblut. Ob die Kleine ihren Wechsel nun

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