Das Blut des Skorpions
er dem Gespräch zwischen den geistlichen Herren beiwohnen.
»Unserem unschätzbaren Bellariva hier ist es gelungen, endlich das Geheimnis zu lüften, das uns seit langem beschäftigt«, sagte der Kardinal und deutete auf den jungen Mann an seiner Seite. »Wohlan, Raul, berichtet dem Bischof, was Ihr entdeckt habt. Übrigens werde auch ich die ersehnte Enthüllung zum ersten Mal hören, denn ich habe Bellariva sofort hierhergeführt, als er im Palast eintraf. Nur zu, zaudert nicht länger.«
Der junge Geistliche, der bis dahin mit gesenktem Kopf dagestanden hatte, blickte auf und zeigte einen konzentrierten Gesichtsausdruck, der ihn auf einmal viel reifer erscheinen ließ. »Der Schlüssel zu dem Geheimnis liegt in einem Muttermal«, begann Bellariva, »und um darauf zu kommen, musste ich einen großen Teil des Archivs der Gesellschaft Jesu durchblättern. Einem Befund eines Chirurgen, der infolge eines Unfalls im Herbst des Jahres 1621 aufgesetzt worden war, habe ich schließlich entnommen, dass einer der damals in Paderborn lebenden Novizen ein großes Muttermal auf der Höhe der Leiste hatte. Sein Alter und die Zeit stimmten mit dem überein, was wir wussten.«
»Drückt Euch klarer aus, Bellariva«, sagte Azzolini ratlos, »ich kann Euch nicht folgen.«
»Euer Eminenz, erinnert Ihr Euch, wie die Leichen der ermordeten Jesuiten aufgefunden wurden?«
»Natürlich erinnere ich mich daran. Wie könnte man einen solch grauenhaften Anblick vergessen? Die Köpfe waren abgeschlagen, überall Blut…«
»Das ist aber nicht alles, Eminenz.«
»Jetzt reicht es mit dem Rätselraten, Bellariva!«
»Heilige Muttergottes, die Kutten!«, rief de Simara dazwischen.
»So ist es, Monsieur, die Kutten.«
»Bei allen Toten waren die Kutten hochgeschoben und die Beine entblößt worden. Der Mörder suchte nach einem Erkennungsmerkmal!«
»Richtig, Monsieur, das Merkmal, das Muttermal an der Leiste. Diese Information hat mich dazu veranlasst, meine Recherchen auf besondere körperliche Merkmale der Opfer beziehungsweise der noch lebenden Jesuiten auf der Liste zu konzentrieren. Mit ein wenig Geduld und viel Glück ist es mir gelungen, den Gesuchten zu bestimmen.«
»Sehr gut, Bellariva, doch nun sagt uns endlich, wer es ist.«
»Der Mann, den wir suchen, ist Pater August Wiedenmann.«
»Gott sei Dank!«, rief Azzolini aus. »Pater Wiedenmann lebt und ist wohlauf. Wir haben gesehen, wie er von Euren Musketieren gut beschützt wurde, de Simara.«
Hier konnte Fulminacci sich nicht länger zurückhalten.
»Verzeiht mir die Einmischung«, sagte er so ehrerbietig wie möglich, »aber ich glaube, ich weiß darüber noch mehr zu berichten.«
Die vier Männer sahen ihn an, als bemerkten sie seine Anwesenheit erst jetzt.
Er erzählte von der Vergiftung Pater Wiedenmanns und wie der Großmeister ihm das Leben gerettet hatte sowie von den Vermutungen, die er und Melchiorri über die Absichten des Skorpions angestellt hatten.
»… und deshalb glaube ich, dass der Skorpion in diesem Moment versucht, den Bernstein wieder in seinen Besitz zu bringen. Wir müssen sofort handeln!«
»Aber… Aber Pater Wiedenmann geht es gut?«, fragte Azzolini schwach.
»Ich glaube, er ist außer Gefahr, doch es hätte nicht viel gefehlt… Jedenfalls ist er jetzt in Sicherheit. Wir müssen so schnell wie möglich etwas unternehmen!«
»De la Fleur, begleitet Messer Sacchi«, sagte de Simara, der das Kommando übernahm. »Ich werde die Männer zusammenrufen lassen. Euer Eminenz, in Anbetracht dieser besonderen Umstände möchte ich Euch bitten, Euch zu Melchiorris Laboratorium zu begeben und nach Pater Wiedenmanns Gesundheitszustand zu sehen. Sobald ich kann, werde ich Euch Verstärkung schicken.«
Für die Einrichtung der Wunderkammer hatte die Königin persönlich den prächtigsten und schönsten Saal im ganzen Palast ausgewählt, ein Meisterwerk an sich, das vier Generationen generöser Fürsten sowie unzählige ausgezeichnete Künstler und Handwerker ausgeschmückt und einzigartig gemacht hatten.
Zwei versetzte Reihen übereinanderstehender Säulen mit Rundbögen umrahmten das imposante Eingangsportal, durch das man in einen geräumigen, mit vergoldetem Stuck verzierten Vorraum und schließlich in den Saal selbst gelangte. Der Fußboden aus glänzendem Marmor spiegelte die Kuppel wider, die den Raum beherrschte und ihn noch größer wirken ließ, als er ohnehin schon war. Zu diesem Eindruck trugen auch die von einem venezianischen Meister
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