Das Blut des Teufels
Erkenntnis dämmerte, drehte er sich eilig zum Ausgang. Drei Reihen noch – also etwa drei Meter –, und er wäre entkommen. Er wusste jetzt, dass er keiner der Fliesen trauen durfte. Er würde alles auf eine Karte setzen und springen müssen. Wenn er einen gewaltigen Satz machte, könnte er es vielleicht gerade eben schaffen.
Gil starrte sein Gewehr an. Es war zu schwer; das Risiko wäre zu groß. Er ließ es zusammen mit dem Patronengurt, den er über der Brust trug, zu Boden fallen. Er holte das goldene Gefäß hervor und betrachtete es einen Moment lang. Dann steckte er es in seine Weste zurück. Er würde eher sterben, als diesen Schatz zu verlieren. Stattdessen schüttelte er die Stiefel ab. Barfuß fände er sowieso besseren Halt auf der silbrigen Oberfläche.
Jetzt war er bereit. Er ging zurück zur äußersten Kante, um den größtmöglichen Anlauf zu nehmen, aber er hatte trotzdem nicht mehr als zwei kurze Schritte. Er wappnete sich, schloss die Augen und betete zum ersten Mal seit Jahrzehnten zu seinem Gott um Stärke und Glück. Danach öffnete er die Augen und ballte die Hände zur Faust. »Jetzt oder nie«, murmelte er.
Vornübergebeugt lief er zwei schnelle Schritte und warf sich dann mit dem Kopf voran und unter Aufbietung aller Kräfte zur Tür. Er flog über die Fliesenreihen und landete hart auf dem Felsboden. Er hielt sich so tief geduckt, dass er den größten Aufprall mit der linken Seite abfangen konnte. Etwas knackte in seiner Schulter, als er sich in den kurzen Gang hineinwälzte. An der umgestürzten Steintür blieb er liegen.
Gil schnitt eine Grimasse und kam mühsam auf die Beine. Er ignorierte den sengenden Schmerz im Hals, schließlich hatte er es geschafft! Er betastete seine Schulter und wusste, dass er sich aller Wahrscheinlichkeit nach das Schlüsselbein gebrochen hatte. Kein Problem. Er hatte einmal drei Kugeln in die Brust bekommen. Im Vergleich dazu war das hier nur ein Kratzer.
Gil zog das kostbare Trinkgefäß heraus. Eine seiner Tüllen war durch die Wucht des Aufpralls leicht verbogen, ansonsten hatte es ebenso wenig Schaden erlitten wie er.
Er trat zum Rand des tödlichen Musters, hob den Kelch in die Höhe und spuckte in Richtung auf den fernen Inkakönig aus. Die goldene Statue schimmerte hell vor dem schwarzen Stein. »Ich komme zurück, und dann raube ich dich aus!«, fluchte er.
Mit diesem Versprechen machte er auf dem Absatz kehrt und suchte das Weite.
Maggie kniete oben an der Leiter, die hinunter zur dritten Ebene der Ruinen führte. »Da kommt jemand!«, flüsterte sie und stieß Sam zurück.
Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie sich verstecken mussten. Da Maggie in den Straßen von Belfast groß geworden war, hatte sie gelernt, auf ihre innere Stimme zu hören. Der Überlebenskampf zwischen dem beständigen Gewehrfeuer und den Bomben der rivalisierenden irischen Fraktionen, die zudem gegen die britische Armee kämpften, hatte Maggie O’Donnel den Wert eines guten Verstecks zu schätzen gelehrt.
»Kommt schon«, drängte sie und zog Sam mit sich. Norman und Ralph folgten.
Sam widersetzte sich und hob sein Gewehr. »Vielleicht sind es Plünderer. Wir sollten sie aufhalten.«
»Und uns alle umbringen lassen, du Idiot? Du weißt nicht, wie viele da unten sind oder wie gut sie bewaffnet sind. Verschwinden wir!«
»Sie hat Recht«, pflichtete ihr Norman bei. »Die linken Guerillas vom Leuchtenden Pfad hier sind gut ausgerüstet. Russische AK-47 und so was. Wir sollten der Wachmannschaft die Nachforschung überlassen.«
Sam sah zurück zur Leiter, schüttelte den Kopf und folgte Maggie. Sie führte die Gruppe zu einem Nebenraum. Dort brannten keine Natriumlampen, sodass die Dunkelheit sie verschluckte.
»Bleibt am Boden«, warnte Maggie. »Aber haltet euch bereit, auf mein Zeichen hin loszulaufen.«
Sam brummelte etwas, als er sich neben sie hockte. »Maggie O’Donnel, kampferprobte Archäologin.«
Sam war nur als dunkler Schatten zwischen den anderen zu erkennen, trotzdem konnte sich Maggie sein sarkastisches Grinsen gut vorstellen.
»Weißt du«, fügte Ralph flüsternd hinzu, »vielleicht ist es bloß Gil oder einer seiner Männer.«
»Und das Kreischen?«, erwiderte Maggie.
»Ich bin mir sicher, dass …«
Maggie legte dem großen Mann eine Hand aufs Knie, damit er den Mund hielt. Sie hörte das Holz quietschen, als jemand von unten die Leiter heraufkletterte. Wer es auch war, er hatte es ziemlich eilig und wollte so schnell wie möglich fliehen. Sie vernahm ein
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