Das Blut des Teufels
Zeichen für einen drohenden Anfall. Nicht gerade jetzt! Sie flog förmlich die Leiter hinauf. Sam half ihr von der letzten Sprosse, indem er sie an den Armen hochzog. Die Leiter nach ganz oben war nur wenige Meter entfernt. Sobald Maggie wieder auf den Beinen stand, rannte sie voraus.
Sie folgte der Zickzackreihe der Lampen, deren Schein an ihr vorüberhuschte. Als sie den Fuß der Leiter entdeckte, vernahm sie ein tiefes Stöhnen aus dem Schacht, der nach oben ins Freie führte. Es war Gil. Es hörte sich so an, als hätte er den Platz fast erreicht.
Da sie jetzt das Ziel vor Augen hatte und eine erfrischende Brise von oben herabwehte, die ihr Mut machte, rannte Maggie schneller.
Plötzlich tönten Worte zu ihr herab: »Friss das hier, du hijo de puta! «
Sie blieb wie versteinert stehen, als etwas Hartes klappernd in den Schacht fiel und am Fuß der Leiter liegen blieb. Ungläubig starrte sie den grünen Metallzylinder an. Er ruhte im Schlamm neben dem Holzstamm, der als hauptsächliche Stütze für den Schacht diente. Die Handgranate!
Maggie fuhr zu Sam herum. Er ächzte, als sie gegen seinen Brustkasten prallte. »Zurück … zurück … zurück …«, leierte sie.
Die Arme umeinander gelegt, stolperte die Gruppe von der Leiter weg.
»Was …?«, fragte ihr Sam ins Ohr.
Aufgeputscht von dem Adrenalin in ihren Adern schob sie ihn und die anderen in eine Nebenkammer.
Der Stoß der Explosion erwischte sie im Eingang. Vom Luftdruck wurden sie quer durch den ganzen Raum gegen die Wand am anderen Ende geschleudert und fielen dort übereinander.
Die Lampen ringsumher flackerten. Maggie wälzte sich zur Seite und erhob sich auf ein Knie. Über das Klingeln in ihren Ohren hinweg hörte sie Ralph neben sich stöhnen. Sie machte eine Bestandsaufnahme der eigenen Verletzungen. Nein, sie schien unverletzt zu sein, doch als sie durch den herabsinkenden Staub den Schaden erkannte, den die Granate angerichtet hatte, entfloh auch ihren Lippen ein Stöhnen.
Sie saßen in der Falle!
Im Gang, der zur Leiter führte, lagen Steine und Erde wild übereinander. Die Handgranate hatte den Schacht ins Freie zum Einsturz gebracht. Ein guter Teil der Decke der ersten Ebene war herabgefallen.
Überall in den Ruinen ringsumher rumpelte und ächzte es, weil sich durch den Erdrutsch der Druck auf Mauern und Wände verschoben hatte. Zehn Meter Erde wollten weitere Teile der unterirdischen Ruine zum Einsturz bringen.
Was sollten sie jetzt tun?
Im nächsten Moment flackerten die Lampen ein letztes Mal und erloschen. Schwärze verschlang sie.
»Alles in Ordnung?«, fragte Sam wie betäubt und übertrieben laut, weil er fast taub geworden war.
Norman gab Antwort. »Mir geht’s gut. Ich bin zehn Meter unter der Erde begraben … in einem Grab. Ansonsten geht’s mir ausgezeichnet.«
»Ich bin auch in Ordnung, Sam«, fügte Ralph etwas kleinlauter als sonst hinzu.
Der dichte Staub brachte Sam zum Husten. »Maggie?«
Sie konnte keine Antwort mehr geben. Sie merkte, wie ihre Gliedmaßen sich versteiften. Das erste charakteristische Zittern setzte ein und sie fiel auf den Steinboden zurück, als der Anfall von ihrem ganzen Körper Besitz ergriff und ihr das Bewusstsein raubte.
Als Letztes vernahm sie Normans erstickten Ausruf: »Sam, da stimmt was nicht mit Maggie!«
Gil floh vor der Druckwelle aus der Grube, der Explosionslärm schnitt durch das Schweigen des Regenwalds. Ausgespuckter Rauch und Schutt folgten ihm den Hang zum Lager hinab. Er kletterte die Treppe hinunter, obwohl er sich an den losen Steinen die Füße aufschnitt. Er verfluchte sich dafür, seine Stiefel zurückgelassen zu haben. Warum hatte er Schuhe und Gewehr nicht vor dem Sprung hinausgeworfen? Aber er wusste die Antwort auf diese Frage: Er war in Panik geraten.
Ein Schwarm aufgeschreckter Papageien zerstreute sich über dem Strahl eines der nahe gelegenen Scheinwerfer. Das plötzliche Aufleuchten von blauem und rotem Gefieder in der schwarzen Nacht erschreckte ihn. Als der Explosionslärm verhallte, antwortete der Regenwald auf das herausfordernde Getöse mit Vogel- und Affengekreische.
Der Dschungel war erwacht – wie auch das Lager unten. In mehreren der billigen Zelte für die Arbeiter flammten Lichter auf. Die ersten Schatten rührten sich bereits – die Schläfer waren erwacht. Selbst in einem der Studentenzelte erblühte der warme Schein.
Ohne Waffen und Gefährten wollte Gil keinen Versuch wagen, das Lager zu überwältigen. Er würde eilig ein paar Männer holen, um
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