Das Blut des Teufels
Keuchen und drückte sich tiefer auf den Steinboden. Dann tauchte der Kopf des Kletterers aus dem Schacht auf.
Sie erkannte das glatte, schwarze Haar und die spinnenartige weiße Narbe auf der bronzefarbenen Wange. Guillermo Sala. Verzweifelt krabbelte der Ex-Polizist von der Leiter und rutschte dabei fast aus. Maggie gestattete sich einen erleichterten Seufzer. Ralph hatte Recht gehabt. Es war bloß der Wachmann des Lagers.
Sie wollte schon aufstehen, da entdeckte sie die große Verbrennung auf seiner Wange. Sie war aufgeplatzt und blutete. Gil wischte sich mit der Hand über das verwundete Gesicht und streifte das Blut am Hemd ab. Das Weiße in seinen weit aufgerissenen Augen glühte beinahe im Schein der Lampe neben der Leiter. Scheinbar hasserfüllt hatte er die Lippen fest aufeinander gepresst – aber Maggie spürte, dass auch Furcht und Entsetzen mit im Spiel waren.
Sie kannte diesen Ausdruck aus ihrer Kindheit. Er hatte auf dem Gesicht eines Freundes gelegen, nachdem er während eines Feuergefechts in Belfast von einer verirrten Kugel erwischt worden war, weil er den Kopf zu früh aus ihrem gemeinsamen Versteck in einem Abwassergraben neben der Straße gehoben hatte. Maggie hatte es besser gewusst. Sie hatte sich nicht gerührt, selbst dann nicht, als Patrick über ihr zusammengebrochen war. In der Eile lag Gefahr. Diese Lektion hatte sie gelernt, also blieb sie in ihrem Versteck und hielt die anderen mit einer Hand zurück.
Was war dort unten geschehen? Was konnte einen so harten und zähen Mann wie Gil dermaßen in Angst und Schrecken versetzt haben?
Es war wie an jenem Mittag auf den Straßen von Belfast. Maggie wusste genau, dass sie nur in den Schatten sicher waren. Sie spähte um die Ecke. Gil griff gerade in seine Weste und befingerte einen Gegenstand, der eine Tasche ausbeulte. Das Ding beruhigte den panikerfüllten Mann anscheinend wie ein Kruzifix eine alte Frau.
Dann zog er aus einer anderen Tasche etwas, das wie ein grüner Apfel mit Griff aussah. Maggie benötigte die Länge eines Herzschlags, um die Waffe zu erkennen, so unpassend wirkte sie in einer uralten Inkaruine.
Verdammt! Eine Handgranate!
Mit einem letzten Blick in den Schacht stand Gil mühsam auf und rannte den Tunnel hinab.
Maggie horchte seinen immer leiser werdenden Schritten nach und bemerkte auf einmal, dass sie sich nicht rühren konnte. Noch immer stand das Bild der Handgranate drohend vor ihrem inneren Auge – eine vertraute Waffe im Straßenkampf ihrer Heimat. Verschüttet geglaubte Panik aus ihrer Kindheit stieg in ihr auf und drohte sie zu ersticken. Ihre Hände zitterten. Sie ballte sie zu Fäusten und kämpfte mit aller Kraft gegen die drohende Panikattacke an. Alles verschwamm ihr vor den Augen und ihr Atem beschleunigte sich.
Sam musste ihre Bedrängnis gespürt haben. »Maggie …?« Er griff nach ihrer Schulter.
Seine Berührung war der Auslöser. Sie sprang auf. »Los, los, wir müssen hier raus!«, sagte sie eilig. »Sofort!«
Sam drückte sich den Stetson fester auf den Kopf. »Warum? Ist doch nur Guillermo.«
Mit hitzigem Gesicht fuhr Maggie zu Sam herum, der die Handgranate nicht bemerkt hatte. Was er in ihren Augen sah, ließ ihn erschrocken zurückfahren. Sie hatte keine Zeit, ihm ihre Ängste zu erklären. »Los, du verdammtes Arschloch!«, brüllte sie. Die Panik ließ ihren irischen Akzent stärker hervortreten. Sie schob Sam zum Tunnel hinüber und gab den anderen Zeichen, ihnen zu folgen.
Sams lange Beine fraßen die Distanz förmlich. Maggie hielt ein Auge hinter sich gerichtet. Vor ihr hielt Ralph mit Sam Schritt, aber Norman, beladen mit seinen Kameras, war zurückgeblieben.
»Beeilung!«, drängte sie den Journalisten.
Norman sah sich um. Im Schein der Lampen war sein Gesicht leichenblass. Aber er setzte alles daran, das Tempo zu forcieren, und schloss schließlich zu ihnen auf, als die beiden schnelleren Männer die Leiter zur nächsten Ebene der Grabungsstätte erreicht hatten.
Sam flog die hölzernen Sprossen hinauf, Ralph dicht auf den Fersen. Norman ging als Nächster. Maggie blieb am Fuß der Leiter stehen, spitzte die Ohren und horchte auf jede mögliche Gefahr hinter ihnen. In weiter Entfernung schallte etwas aus der Tiefe herauf. Es klang wie ein tiefes Pochen, wie das Tikken einer großen Uhr.
»Maggie, komm schon!«, flüsterte Sam drängend von oben.
Sie wandte sich um und merkte, dass die Leiter frei war. Einen Moment lang war ihr jegliches Zeitgefühl abhanden gekommen. Ein untrügliches
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