Das Blut-Haus
immer darüber gefreut, wenn ich ihm eine neue Seele zuschicken kann. Oder sollen wir dich holen?«
Die Zwickmühle zog sich immer mehr zusammen. Der Mann wußte wirklich nicht, was er tun sollte. Aber er wollte sein Gesicht nicht verlieren. Seine Nickbewegung wirkte sehr entschlossen. An zwei Zuschauern mußte er sich vorbeischieben, um den Weg erreichen zu können, der direkt zur Bühne führte.
Seine ersten Schritte waren noch sehr fest und starr, die nächsten aber setzte er langsam.
Hinter Mondrian standen seine Helfer. Im Widerschein des Feuers wirkten ihre Gesichter wie Masken, die mal lebten, um einen Moment später wieder starr zu sein.
»Soll ich dir helfen?« Mondrian streckte dem Mutigen die Hand entgegen.
Der aber schüttelte nur den Kopf. Mit einem Sprung hatte er die Bühne erreicht und blieb vor dem Zauberer stehen, der gegen ihn wie ein Zwerg wirkte.
»Hier bin ich«, sagte Mondrian. »Jetzt kannst du versuchen, ob ich mit dem Teufel im Bunde stehe.«
Der Bärtige nickte, bevor er sein Hemd aufriß, so daß ein großer Ausschnitt entstand.
In dessen Mitte und auf der Brust zeichneten sich die Umrisse eines Holzkreuzes ab. »Schau es an!« brüllte der Mann. »Schau auf das Kreuz, Teufelshelfer!«
Der lachte nur - und stieß seine Hand vor, an der die Finger dicht zusammengelegt waren.
Er traf. Das letzte Wort des Mutigen erstickte in einem dumpfen Gurgeln. Er riß den Mund weit auf. Ein Blutstrom schwappte über seine Lippen. Das Zeug rann über das Kinn, dann den Hals entlang und verschmutzte die Kleidung.
Der Mann kippte langsam zur Seite. Es war niemand da, der ihn auffing. Als Toter und mit einer gewaltigen Wunde auf der Brust fiel er zu Boden. Dicht vor den Zuschauern der ersten Reihe blieb er liegen. Auch mich hatte dieser Vorgang überrascht. Mit einer derartigen Tat hatte ich zwar rechnen müssen, aber nicht damit, daß sie so schnell erfolgen würde.
Mondrian machte der Mord nichts aus. Seine Haltung verriet Triumph. Er hatte den rechten Arm in die Höhe gestoßen und präsentierte den geschickten Zuschauern die Mordhand.
Die sah aus wie Stein oder wie Metall. Und seine Fingerspitzen hatten tatsächlich die Funktion von Messern übernommen. »Nun, ihr Ungläubigen?« rief er. »Habe ich euch nicht gesagt, daß der Teufel seine schützende Hand über mich gelegt hat? Wer will noch zu mir kommen? Wer will erleben, wie ich ihn umbringe? Ja, der Teufel ist überall, und er ist in euer Dorf gekommen, um hier durch mich seine Zeichen zu setzen.« Er breitete die Arme aus und beugte sich vor. »Das hier war der Anfang. Ich will euch eine andere Geschichte erzählen oder euch daran erinnern. Wißt ihr nicht, daß sich der Satan gern die kleinen Kinder und deren Seelen holt? Ist euch das nicht bekannt? Oft genug stand geschrieben, daß der Teufel kleine Kinder schluckt.« Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ja, er frißt sie, denn sie geben ihm Kraft. Wer es mir nicht glaubt, wird es bald bestätigt bekommen. Elvira ist gegangen, ihr habt es nicht bemerkt. Aber sie wird jeden Augenblick zurückkommen, und sie wird sich ihrer Beute sicher sein, das könnt ihr mir glauben.«
Ich hatte jedes Wort verstanden und richtete mich auf das Schlimmste ein. Zugeben mußte ich, daß er seinen Auftritt gut getimt hatte. Denn kaum hatte er seinen Satz beendet, als Elvira tatsächlich erschien. Jenseits des Feuers und aus dem Dunkel huschte sie wie ein Schatten heran und sprang auf die Bühne.
Nicht allein. In ihrer rechten Hand hielt sie ein Kleinkind, das anfing zu schreien.
Das nackte Entsetzen verschlug den Menschen die Sprache. Sie hatten miterleben müssen, wie grausam der Zauberer Mondrian gewesen war. Ein starker mutiger Mann hatte den Tod gefunden. Dem Teufel und seinen Helfern war es egal, wer umkam, ob Mann, Frau oder Kind. Ihm ging es allein um die Seelen der Menschen.
Sie hielt es hoch und zeigte es jedem, auch der Mutter, die sich unter den Zuschauern befand.
Ohne Vorwarnung bekam die Frau einen Schreikrampf. Sie schaffte es aber nicht, aufzustehen und auf die Bühne zu springen. Sie saß da und schrie sich fast die Seele aus dem Leib.
Ich hatte erlebt, wie schnell und grausam der Zauberer handelte. Diesmal wollte ich keine Zeit verlieren. Meine Deckung hatte ich verlassen und war bereits in den Widerschein des Feuers gelangt, hätte jetzt gesehen werden können, aber die Zuschauer schauten einzig und allein auf die Bühne, als wären ihre Köpfe festgedreht worden. Elvira
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