Das Blut Von Brooklyn
Geist vor meinem inneren Auge, halte den Atem an, rolle mich auf die linke Seite und feuere aus beiden Läufen. Der Rückstoß schlägt meinen Arm zur Seite, und die mit Widerhaken versehene Pfeilspitze reißt mir das Fleisch aus den Rippen.
Ein Teil der schwarzen Gestalt im Eingang explodiert in einer Blutfontäne. Dann huscht sie in die Nacht zurück.
Es ist ein Mann, ein Mann mit Umhang. Nur ein Mann.
Ich sauge die Luft ein. Rieche das Vyrus im frischvergossenen Blut.
Es ist kein Geist, aber auch kein Mensch. Und da draußen sind noch mehr.
Ich stehe auf. Lydia hat einen Pfeil im Hals und weitere in ihren Beinen und ihrem Bauch. Ich packe sie und ziehe sie zum rückwärtigen Teil des Zelts. Dabei trete ich gegen das Kohlebecken. Glimmende Asche verteilt sich auf dem dreckigen Teppich und den trockenen Holzbohlen der Bühne und der Sitzreihen.
Das Feuer verschwendet keine Zeit und fängt sofort an, das Zelt samt Inhalt zu fressen.
Ich lasse Lydia fallen, packe die Leinwand und ziehe, wobei ich eiserne Heringe aus dem Sand reiße. Dann sehe ich mich um und bemerke weitere schwarze Gestalten im Eingang, die über die Flammen springen. Ein schwarzer Umhangzipfel fängt Feuer.
Der Muskelprotz, dessen Rücken an ein stählernes Stachelschwein erinnert, richtet sich auf und schnappt sich sein Breitschwert vom Bühnenrand. Vendetta und Harm kriechen über die Kohlen, die unter den Sitzen verteilt sind. Zwei der schattenhaften Gestalten stürzen sich auf sie. Das Breitschwert beschreibt einen Bogen, zerteilt eine der Gestalten in zwei blutige Hälften und bohrt sich in die andere. Dann kracht der Angreifer in den Muskelprotz und wirft ihn auf den Rücken, so dass die Pfeilspitzen seine Brust und seinen Bauch durchbohren. Trotzdem packt er den verwundeten Angreifer und presst ihn an sich. Flammen spiegeln sich in Blutpfützen.
Ich umklammere Lydias Haar, schlüpfe unter der brennenden Zeltplane hindurch und schleife sie durch den Sand. Ich komme ruckartig zum Stehen, als jemand sie packt und meinem Griff entreißt. Ich lasse ein Haarbüschel fallen, schnappe mir ihr Handgelenk und stemme meine Absätze in den Sand.
– Pitt.
Lydia kann wegen dem Pfeil in ihrem Hals nur krächzen und streckt die andere Hand nach mir aus.
– Revolver. Revolver.
Ich lasse die Schrotflinte fallen, zwinge meine rechte Hand in die Jackentasche, wobei die Widerhaken noch tiefer in meinen Körper getrieben werden. Dann ziehe ich die Waffe, die ich dem Boss der Docks abgenommen habe, und werfe sie in den Sand, während die Gestalten, die ihre Beine festhalten, uns beide in Richtung der brennenden Leinwand ziehen.
Sie packt den großen Revolver.
– Lass los. Hau ab.
Drei Pfeile durchbohren die Plane und verschwinden hinter meinem Rücken in der Dunkelheit.
Lydia dreht ihren Arm, um sich zu befreien.
– Hau ab. Aber komm ja wieder, verdammte Scheiße.
Ich lasse sie los, und sie verschwindet schreiend im Zelt. Ich hebe die Schrotflinte auf, flüchte in den Schatten unter dem Boardwalk, eine breite Blutspur hinterlassend. Ich höre, wie der Revolver abgefeuert wird.
Es ist Lydia, die die brennende Nacht mit Blei füllt.
Ich verkrieche mich in den Sandhaufen unter der Uferpromenade, öffne die Schrotflinte und lade nach. Dann drehe ich mich um und warte auf etwas, das ich in zwei Hälften schießen kann.
Aber nichts passiert.
Ich sehe zu, wie das Zelt in Flammen aufgeht. Die Gestalten in den flatternden Umhängen kappen die Seile, damit es schneller brennt. Sie sammeln Körper und Körperteile ein. Drei von ihnen tragen den Muskelprotz und einen kleineren Körper, der an ihm zu kleben scheint.
Ich lausche.
– Lass nichts zurück.
– Ich lass schon nichts zurück, Axler.
– Wir brauchen alles.
– Hab ich noch nie jemanden begraben? Hab ich nie Schiwe gesessen? Glaubst du, ich weiß nicht, dass wir für die Beerdigungszeremonie alles brauchen?
– Kein Teil von Chaim darf am Boden liegen bleiben.
– Zu spät. Er ist im ganzen Zelt verteilt. Und Fletcher war zur Hälfte verbrannt, bevor wir ihn erreichen konnten.
– Verbrannt. Scheiße. Kann die Chewra Kaddischa da helfen?
– Frag deinen Papa.
– Scheiße.
Eine der Gestalten entfernt sich vom Feuer und späht unter den Holzsteg.
– Komm schon, Selig. Wir müssen los.
– Ein paar sind abgehauen.
– Zu spät. Wir müssen los. Das Feuer.
– Sie sind abgehauen. Der, der Chaim erschossen hat. Der Zwerg auch. Und eine seiner Huren.
Eine heulende Sirene
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