Das Blut Von Brooklyn
heute etwas Blut getrunken, wäre das Vyrus womöglich stark genug, um meine Sinnesorgane ausreichend zu schärfen. Aber ich hatte heute noch keins. Und Sols Blut macht mich verdammt hungrig.
Ich stupse mit dem Zeh gegen seinen Kopf und lasse ihn hin und her rollen.
– Wann hast du ihn gefunden?
Christian umrundet vorsichtig einen Eingeweidestrang.
– Swineheart und Tenderhooks sind gestern hier vorbeigekommen, um sich was zu besorgen. Sie hatten den Sabbat ganz vergessen und haben wie die Irren am Gitter vor der Tür gerüttelt. Dann sind sie um die Ecke zum Kellereingang und haben das Blut gerochen. Sie haben das Schloss abgerissen, sind runter und haben die Scheiße hier entdeckt. Dann haben sie die Panik gekriegt und mich geholt.
Ohne genau zu wissen, wonach ich suche, gucke ich in ein paar Kartons und schiebe ein paar andere durch die Gegend. Sie riechen nach rosa Süßkram.
– Swineheart und Tenderhooks haben’s mit der Angst bekommen?
Christian deutet auf die Leiche.
– Na ja, guck dir das doch mal an. Wer will sich schon mit einem Van Helsing anlegen?
Die Antwort: Niemand.
Manchmal ist es einfach nur irgendein Jüngelchen, das zur falschen Zeit am falschen Ort war. Irgendwie überlebt er und erklärt danach den Untoten den Krieg. Wenn der Bursche dann mit Weihwasser, Knoblauch und Kruzifix ankommt, kein Problem. Weihwasser macht uns nass, Knoblauch gibt Mundgeruch und ein Kruzifix sind zwei Stecken, an die ein Typ genagelt ist. Nichts Besonderes. So einen Van Helsing lockt man am besten in eine dunkle Ecke und bricht ihm das Genick. Danach muss man sich nur noch entscheiden, wie viel Blut man sofort trinkt und wie viel man mit Gerinnungshemmern mischt und für später aufhebt.
Ein echter Van Helsing ist da schon eine ganz andere Sache. Ein echter Van Helsing weiß, wie man einen Vampyr zur Strecke bringt. Nämlich wie jeden anderen auch, nur mit etwas mehr Schmackes. Einem gut genährten Vampyr ist eine Kugel im Bein zwar unangenehm, sie wird ihn aber nicht aufhalten, solange sie nicht die Beinschlagader verletzt, so dass er verblutet, bevor er sich einen Finger in das Einschussloch stecken und darauf warten kann, dass es sich schließt. Und schließen wird sich die Wunde verdammt schnell, keine Frage. Aber das weiß auch ein echter Van Helsing, deswegen wird er so schnell wie möglich ein paar großkalibrige Kugeln in Gesicht, Genick oder Brust des Vampyrs jagen. Oder ihm den Kopf abhacken. Oder ihn so lange strangulieren, bis das Gehirn keinen Sauerstoff mehr bekommt. Oder ihm Zementschuhe verpassen und ihn von einer Brücke werfen. Oder ihn mit einem Lastwagen rammen und so schnell immer wieder drüberfahren, dass sich die Wunden nicht schließen und die Knochen nicht wieder zusammenfügen können. Ein echter Van Helsing weiß genau, wie schwach wir werden, wenn wir ausgehungert sind. Und wie gefährlich die Sonne für uns ist. Er kennt die Zeichen, die auf unsere Anwesenheit hindeuten: ein Anstieg der Raubüberfälle, Leute, die plötzlich verschwinden, Gerüchte, die unter Pennern und Säufern die Runde machen. Mit einem Van Helsing, der seinem Namen alle Ehre macht, will sich keiner anlegen.
Ich stelle eine Kiste mit Karamelllutschern an ihren Platz zurück.
– Hast recht. Das will niemand. Trotzdem seltsam.
Christian betrachtet das Loch in der Brust des Toten.
– Was?
Ich nehme die Treppe in Angriff, die zum Laden hinaufführt.
– Seltsam, dass ihn ein Van Helsing nach allen Regeln der Kunst ausweidet und ihm den Kopf abschneidet, obwohl der Kerl überhaupt nicht infiziert war.
Christian folgt mir die Treppe hinauf.
– Ja. Hab ich auch schon drüber nachgedacht.
Er deutet mit dem Daumen auf die Leiche hinter sich.
– Der alte Solomon war ein echter Pechvogel.
Ich stoße die Tür zum Laden auf, und der Geruch von gerösteten Nüssen, Trockenobst, Karamell, Schokolade, Maissirup, künstlichem Farbstoff, reinem Kakao, raffiniertem Zucker, Gelatine und dem ganzen anderen Zeug, das man so in einem durchschnittlichen Süßwarenladen findet, steigt mir in die Nase.
– Ja, aber sein Laden war echt Spitze.
Christian geht am Tresen vorbei, greift in ein Glas und stopft sich einen superharten Jawbreaker in den Mund.
– Tatsache.
Hier gibt es Brause, Big League Chew-Kaugummi, Pop Rocks, Almond Joy, Schokoladenzigaretten, Pixy Stix, Chunkys und Hunderte weiterer abgepackter Süßigkeiten. Dazu geröstete und rohe Cashewkerne, Erdnüsse, Mandeln, Paranüsse, Haselnüsse,
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