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Das Blut Von Brooklyn

Das Blut Von Brooklyn

Titel: Das Blut Von Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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Gefühl. Ist ja klar. Die Angst veranlasst uns, allen möglichen Scheiß zu lernen, damit wir nicht draufgehen. Das ist elementar wichtig. Weißt du, wo die Angst wohnt? Sie haust in einem winzigen Ding, ungefähr so groß wie eine Mandel, der Amygdala. Das ist der Sitz der Angst im Hirn. Wenn dir was Schlimmes passiert, befürchtest du automatisch, dass es dir noch mal passiert. Da kannst du nichts gegen machen. Es sei denn, es passiert dir so oft, dass du dich irgendwann dran gewöhnst.
    Eisen scharrt über Beton, als er den Kanaldeckel zum Rand des Lochs schleift.
    – Sag mir, wie viele Menschen, die du liebst, musst du verlieren, bis du keine Angst mehr hast, dass es dir noch mal passiert?
    Er sieht über die Schulter, dann wieder zu mir runter.
    – Oh, hey, rate mal, welcher mein Lieblingskaiser ist. Weißt du nicht? Du gibst auf? Okay, ich sag’s dir.
    Er steckt den Kopf in das Loch.
    – Caligula.
    Er lacht durch die Nase und schüttelt den Kopf.
    – Krank, ich weiß, aber es ist die Wahrheit. Ich bin einfach scheißberechenbar, oder nicht? Aber ich sag dir eins, wenn ich erst mal da bin, wo ich hinwill, wird hier alles caligulamäßig ablaufen. Mann, jeder macht sich ins Hemd, sobald er diese Enklave-Typen sieht. Das muss man doch irgendwie ausnutzen.
    Er zieht den Kopf wieder ein.
    – Na ja, egal. Noch eins zur Angst. Wenn du hier Scheiße baust, sagen wir, indem du versuchst, ein anderes Mitglied der Enklave zu erwürgen oder so, dann bringen sie dich nicht um. Keine Hinrichtungen, keine Sonne. Stattdessen wirst du durch diesen Schacht in die Kanalisation geworfen. Ist wahrscheinlich symbolisch gemeint, keine Ahnung. Passiert ja auch nicht so oft. Soweit ich weiß, bringen sich alle, die hier rausgeschmissen werden, sowieso bald um.
    Ich höre ein Platschen. Wahrscheinlich Ratten.
    – Man sagt, dass noch einer da unten ist. Seit Jahren schon. Ein armer Ex-Enklaven-Irrer, der durch die Kanalisation streift und sich von weiß Gott was ernährt. Ist wahrscheinlich so eine urbane Legende wie die Alligatoren, die durch die Toilette gespült werden.
    Er fängt an, den Deckel über den Schacht zu schieben, dann hält er inne und hält sein Gesicht vor den letzten schmalen Streifen Kerzenlicht über mir.
    – Trotzdem. Ziemlich gruslig, oder?
    Der Deckel fällt auf seinen Platz.
    Was sich da durch das Wasser bewegt, ist keine Ratte.
    Es ist schnell, stark, und sobald die Finsternis vollständig ist, fällt es über mich her. Es zerrt mich durchs Wasser, schlägt mich gegen die Tunnelwände und schleppt mich über Abgründe, von deren Existenz ich nur weiß, weil meine Schreie in ihnen widerhallen.
     
    – Hey, Sportsfreund. Hast du mal ’ne Kippe? Hast du mal ’ne Kippe, Kumpel?
    Obwohl meine Augen offen sind, kann ich nichts sehen.
    Aber es stinkt gotterbärmlich.
    Irgendwo unter mir muss sich ein ganzer Strom aus Kloake vorbeiwälzen. Der Gestank der Stadt. Ekelhaft. Ich höre elektrisches Knistern, wahrscheinlich von der U-Bahn, die hier irgendwo hinter dicken Betonmauern entlangfährt. Ein Schwall heißer Luft trägt den Geruch von Schmieröl und Diesel mit sich. Wahrscheinlich von einem Inspektionszug. Dazu rieche ich nasses Rattenfell. Überall Verwesungsgerüche, zu viele, um sie auseinanderzuhalten. Und dann ist da noch das Vyrus, ein kochender, dünner Nebel.
    – Ich hab gefragt, ob du ’ne Kippe hast, Kumpel. Eine Zigarette. Parlez vous?
    Ich sage nichts. Rühre mich nicht.
    – Kumpel. Ich weiß, dass du nicht tot bist. Versuchst du, dich tot zu stellen? Willst wohl, dass ich zu dir rüberkomme, damit du mich bei den Eiern packen und mich ausrauben kannst? Geht dir das grad durch den Kopf? Hab ich Recht, Freundchen? Brauchst es nicht abstreiten, Kumpel, echt nicht. Weil ich nämlich genau sehen kann, was du denkst. Und das is’ ungefähr so interessant wie die Zeitung von letzter Woche.
    Irgendwas bewegt sich.
    – Pass auf, ich mach’s dir leicht. Ich komm jetzt rüber.
    Er kommt näher. Als Erstes spüre ich seine Wärme, dann seinen Kloakenduft. Das Vyrus in ihm brennt lichterloh.
    – Besser, Kumpel? Willst du’s jetzt mal versuchen?
    Wasser tropft aus meinem Haar in meine Augen. Ich wische es weg.
    – Nein.
    Er zuckt.
    – Oh, gut. Schnell geschaltet. Bist ’n cleveres Kerlchen. Also?
    – Was?
    – Hast du jetzt eine Kippe oder was?
    Ich ziehe die Luckys aus der Tasche.
    – Die sind nass geworden.
    – Ist schon in Ordnung, Kumpel. Keine Ursache. Gib einfach rüber.
    – Ich kann

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