Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Blut Von Brooklyn

Das Blut Von Brooklyn

Titel: Das Blut Von Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
Vom Netzwerk:
gesehen hab?
    – Gar keinen.
    – Da hast du verdammt Recht, Kumpel. Gar keinen. Und sieh mich jetzt an.
    Er fährt mit einer Fingerspitze über seine Rippen, als wären sie ein Waschbrett.
    – Ich bin nicht grade religiös erzogen worden. Aber ich vermute mal, dass es mich tief beeindruckt hätte, wenn doch. Ich wär so einer gewesen, der vom rechten Weg abkommt, nur um doppelt reumütig wieder zu Kreuze zu kriechen, Kumpel. Stell dir vor, hier unten, wo keiner ein Auge auf mich hat, wo die Penner das reinste Freiwild sind, und man nichts anderes zu tun hat, als zu fressen und zu fressen und zu fressen, da hab ich meinen Glauben gefunden. Was hältst du davon?
    Er bleibt stehen.
    – Weißt du, wie du mir erzählt hast, dass Daniel ein Sonnenbad genommen hat, dachte ich als erstes, Scheiße, dieser arme alte Pisser ist endlich losgezogen und hat sich selbst eingeäschert. Aber eigentlich hab ich gedacht, hoffentlich hat er’s geschafft. Bitte, er soll derjenige sein, der es fertig bringt. Der mich nach Hause holt. Ich bin nämlich ’n ziemlich einsames Arschloch, Kumpel.
    Er steckt sich eine der Zigaretten in den Mund, die ich ihm gegeben habe. Ich klappe das Zippo auf. Jetzt funktioniert es.
    Er bläst Rauch in den Lichtkegel zu unseren Füßen und beobachtet, wie die Schwaden umherwirbeln.
    – Wenn’s so weit ist, werd ich’s genauso machen, Kumpel. Wenn ich’s nicht mehr aushalte, wenn mir das Vyrus befiehlt, ganz oder gar nicht, dann kletter ich da hoch und probier’s mal aus. Daniel hat wahrscheinlich gedacht, dass er’s schafft. Bis er gegrillt wurde, hat der arme Irre wahrscheinlich gedacht, er überschreitet die Grenze oder so. Also ich werd’ brennen, da bin ich mir sicher. Und jetzt sag mir eins, Kumpel.
    Er bietet mir die Zigarette an.
    – Wer ist verrückter, er oder ich?
    Ich nehme einen Zug und gebe die Zigarette zurück.
    – Keine Ahnung.
    Er schnippt Asche auf den Boden.
    – Ja, ist nicht so einfach. Scheiße. Ich hab immer gehofft, dass ich den Alten noch mal sehe. Um ihm zu zeigen, dass es mir gut geht. Dass ich mir seine Lektion schließlich doch noch zu Herzen genommen hab. Dass ich glaube. Selbst wenn ich gar nicht will. Ich hätt’ ihm gerne gesagt, dass es mir leid tut, dass ich ihm so viel Stress gemacht hab. Mann, ich sag’ dir, zum Schluss hab ich’s versaut, aber ordentlich. Bin völlig ausgeflippt, hab mir ein Messer geschnappt und bin Amok gelaufen. Ich hab ein halbes Dutzend umgebracht. Ein halbes Dutzend von meinen Leuten, Kumpel. Weißt du, wie viele es gibt, die ein halbes Dutzend von der Enklave umgebracht haben?
    Er tippt auf seine Brust.
    – Mich. Nur mich.
    Er grinst.
    – Da bin ich jetzt nicht stolz drauf oder so.
    Das Grinsen verschwindet.
    – Und damit hatte Daniel ein Riesenproblem. Schließlich hat er mich ja die ganze Zeit unterstützt.
    Er lässt die Kippe fallen und zerdrückt sie mit seinem bloßen Fuß.
    – Dieser Hurensohn. Hätte ich doch nur noch einmal mit ihm reden können. Das hätte mir gefallen, Kumpel. Trotzdem, wer weiß?
    Er kneift die Augen zusammen.
    – Hast du schon mal einen gesehen, Kumpel?
    Ich lasse das Licht der Taschenlampe über den Boden gleiten und sage nichts.
    Er nickt.
    – Ja, du hast schon mal einen gesehen. Ist scheißunheimlich, oder? Aber weißt du, was noch unheimlicher ist? Nichts. Nichts auf dieser Welt ist unheimlicher als ein Geist, Kumpel.
    Er rückt näher.
    – Ich hab das mal gesehen. Daniel und ein paar von den alten Hasen haben tagelang dagesessen und meditiert. Blut war verboten, es gab keinen Tropfen. Da hab ich gesehen, wie sich ein Riss gebildet hat. In der Luft. Ein Riss in der Luft. Das kann man nicht beschreiben, Kumpel. Und dann ist einer durchgekrochen.
    Er kommt noch näher.
    – Da hab ich woanders hingesehen. War mir echt zuviel.
    Er ist jetzt so nah, dass er flüstert.
    – Weißt du, was man über sie sagt? Weißt du’s? Weißt du, was Daniel gesagt hat? Weißt du, was sie sind?
    Er leckt sich über die Lippen.
    – Sie sind, was geschehen wird. Was geschehen wird, wenn das Vyrus mit uns fertig ist.
    Er deutet auf sich.
    – Was mit mir geschehen wird.
    Er deutet auf mich.
    – Und was mit dir geschehen wird, Kumpel.
    Sein Mund nähert sich meinem Ohr.
    – Sie sind, was wir sein werden.
    Er legt eine Hand auf meine Schulter.
    – Wer weiß, Kumpel. Vielleicht sehen wir Daniel ja wieder.
    Er tritt zurück und sieht mir in die Augen.
    – Buh!
    Ich zucke zusammen.
    Er lacht.
    – Sorry,

Weitere Kostenlose Bücher