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Das Blut Von Brooklyn

Das Blut Von Brooklyn

Titel: Das Blut Von Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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meditierenden Enklavemitglieder hinunter. Sie sitzen schweigend auf dem Boden, die Abgemagerten ganz vorne, die Kräftigeren weiter hinten.
    Der Graf deutet auf sie.
    – Ich muss mit denen da hinten anfangen. Die haben das Fasten noch nicht so drauf. Das Recht des Älteren zählt hier nichts. Nur die Willenskraft. Wer am meisten einstecken und das Vyrus an seine Grenzen treiben kann, darf in der ersten Reihe sitzen. Und nach einem ganzen Jahr auf der bösen Dosis kann ich so einiges einstecken.
    Er legt eine Hand auf meine Schulter.
    – Danke dafür, Joe.
    Ich beachte seine Hand nicht, sondern sauge die Luft ein. Ich kann sie riechen. Ihren neuen Duft.
    Ich schlage seine Hand herunter und marschiere an ihm vorbei. Da wittere ich sie wieder. Ich stehe direkt vor ihrer Tür. Ich trete die Tür ein.
    Sie sitzt an der Wand und hat die Beine ausgestreckt. Die Kanüle hat sie aus ihrem Hals gezogen und starrt sie an, während sie die bereits verheilte Schnittwunde über der mit Blut bespritzten Brausebonbonhalskette berührt. Dann sieht sie auf und zeigt mir die Kanüle.
    – Hat gejuckt.
    – Das glaube ich.
    Sie lässt sie fallen und berührt ihren Kopf.
    – Meine Haare fühlen sich so komisch an. Als ob sie wieder wachsen würden.
    Die Flecken in ihrem Gesicht verschwinden. Das Violett verwandelt sich langsam in ein gesundes Rosa.
    Ich setze mich, obwohl mir das ziemliche Schmerzen bereitet.
    Sie rümpft die Nase.
    – Du riechst aber komisch, Joe.
    Sie schnuppert.
    – Alles riecht komisch. Ziemlich eklig.
    Ich betrachte ihren Hals.
    Und denke nach.
    Man verändert die Dinge nicht, indem man es sich nur vornimmt. Man verändert Dinge, indem man weiß, was wann zu tun ist. Und es dann auch tut.
    Anscheinend weiß ich nie, was zu tun ist. Bis es wieder mal zu spät ist.
    Sie kneift sich die Nase zu.
    – Hier gefällt’s mir nicht. Ich will nach Hause. Kannst du mich nach Hause bringen?
    Ich nicke. Eine Lüge.
    Das wird nie klappen. Wie soll ich mit ihr an den Spinnern im Erdgeschoss vorbeikommen? Oder an diesem Psycho, der drauf und dran ist, dieses Irrenhaus zu übernehmen?
    Ich berühre ihren Hals.
    – Hey, Baby. Weißt du was?
    Sie legt ihre Hand auf meine.
    – Was?
    – Ich liebe dich über alles.
    Sie lächelt und öffnet den Mund, um etwas zu sagen. Ich drücke zu, weil ich das am Besten kann, und weil ich es tun muss, und weil es noch nicht zu spät ist, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Sie sieht mich an, als wüsste sie nicht, wer ich bin, und packt meine Finger. Ich kann es tun, ich kann es tun, sie sieht mich an, ich kann es tun, und die Enklave stürmt in den Raum. Sie zerren mich von ihr runter, meine Finger verfangen sich in den Brausebonbons um ihren Hals, die Kette reißt, und die Bonbons verteilen sich auf dem Boden, und sie schreit mich an.
    Und dann bin ich k. o.
     
    Der Graf sieht auf mich herab.
    – Kennst du dich in Geschichte aus, Joe?
    Ich hocke bis zur Brust in stinkendem Abwasser am Grund des Kanalisationsschachts, in den sie mich geworfen haben. Ich blicke zu ihm auf.
    Er deutet auf sich.
    – Nicht gerade mein Spezialgebiet, aber trotzdem echt interessant, findest du nicht? Selbst in der langweiligsten Geschichtsstunde gibt’s immer was, das einen fesselt. Ich hatte einen Kurs über die Geschichte der westlichen Gesellschaft, da hab ich die meiste Zeit gepennt.
    Es gibt keine Leiter und auch sonst keinen Weg zurück nach oben.
    – Montags, mittwochs und freitags von eins bis drei. Ein ganzes Jahr lang, Mann. Professor Hocker hat angefangen zu labern, und ungefähr fünfzig Erstsemester sind sofort weggenickt. Der Typ sollte CDs von seinen Vorlesungen an Leute mit Schlafstörungen verkaufen. Damit könnte er ein Vermögen machen.
    Durch das Rohr strömt kaltes Wasser, und ab und zu landet ein dicker Brocken Abfall in meinem Rücken.
    – Aber einmal hab ich doch aufgepasst. Weißt du wann? Wie er über die römischen Kaiser geredet hat.
    Die Kloake durchnässt meine Kleidung. Mein Knie tut weh.
    – Also, die Kerle haben sich erst mal den Senat vom Hals geschafft. Weißt du, wie sie geherrscht haben? Per caveat. Das heißt, sie haben durch Angst regiert. Was wiederum bedeutet, dass sie alles tun konnten, wozu sie Lust hatten.
    Das Wasser ist dreckig. Heißt das jetzt, dass es zum Fluss hin oder von ihm weg fließt? Keine Ahnung.
    – Hey, wusstest du, dass Angst unser Denken bestimmt? Ohne Scheiß. Pass auf, unser Gehirn beschäftigt sich mehr mit der Angst als mit jedem anderen

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