Das Blut von Magenza
fragte der Mönch.
„Conrad, was ist schon Glück? Mein Leben gefällt mir so wie es ist und das reicht mir. Und da ich jetzt mein Meisterstück vollendet habe, hält mich hier nichts mehr.“
„Meister Archibald sähe dich gern als seinen Nachfolger inder Dombauhütte.“
„Ich weiß, aber es gibt noch so viel zu lernen und zu erleben. Ich habe keine Familie zu versorgen und bin nicht auf feste Arbeit angewiesen. Die Fertigkeit der lombardischen Steinmetze hat mich tief beeindruckt und ich werde deshalb nach Italien gehen. Möglich, dass ich eines Tages zurückkehre. Vielleicht, wenn Mainz wieder zu alter Blüte gelangt ist. Aber ich bezweifle, dass es das jemals tun wird.“
„Wie weit sind eigentlich die Hochzeitsvorbereitungen deiner Schwester?“, fragte Conrad.
„Sie kommen voran.“
Beim Gedanken an Yrmengardis musste Widukind lächeln. Sie hatte sich endgültig für Hanno und gegen das Klosterleben entschieden. Nachdem die Kreuzfahrer das Rheinland verlassen hatten, machte Hanno sich daran, den Domschatz wieder an seinen angestammten Platz zu bringen. Ob er tatsächlich alle Teile fand, wusste er nicht, aber das kostbare Benna-Kreuz konnte er retten. Als Kaiser Heinrich IV. von Hannos Bemühungen erfuhr, versah er ihn aus Dank und Anerkennung mit einem hohen Amt, das ihm den Aufstieg in der Bürgerschaft ermöglichte. Er wagte schließlich, Graf Bolko um die Hand seiner Tochter zu bitten und erhielt dessen Segen.
Plötzlich dachte Widukind an Griseldis, die von einem Tag auf den anderen aus der Stadt verschwunden war. „Conrad, hast du etwas über Griseldis in Erfahrung bringen können?“
„Ich hörte, sie sei wieder an den Hof zurückgekehrt. Ich habe mich aber immer gefragt, warum Dithmar sie nach dem Tod seines Vaters nicht heiratete. Er schien ganz besessen von ihr gewesen zu sein.“
„Ich glaube, sie war ihm nicht geheuer. Er hat wohlerkannt, dass sie nicht die richtige Frau für ihn ist. In Waltraut hat er eine gefunden, die mehr seinen Erwartungen entspricht. Sie ist gefügig und fleißig und tut, was er sagt. Das hätte Griseldis nie getan. Sie hatte stets ihren eigenen Kopf“, grinste Widukind.
„Ich habe immer vermutet, dass sie etwas verbarg. Wir erfahren wohl nie, was es gewesen ist.“
Widukind wurde plötzlich melancholisch. „Jene fürchterlichen Schreckenstage werde ich nicht mehr vergessen können. Es war, als ob sich in Mainz die Pforten der Hölle öffneten. Das ist der eigentliche Grund, warum ich gehen muss. Noch immer spüre ich das Böse, das an Emich haftete und von dem ein Rest in der Stadt zurückgeblieben ist. Wie schnell sich doch Menschlichkeit in Unmenschlichkeit wandeln kann.“
Der Mönch legte seine Hand auf Widukinds Schulter. Er ahnte, dass dies ihr letztes intensiveres Gespräch werden könnte, und wollte ihm noch einen Rat mit auf seinen Weg geben. „Die Ereignisse haben uns schmerzlich vor Augen geführt, wozu die Menschen fähig sind. Vor allem das Böse lässt sich nie ganz besiegen und ist Teil unserer Natur. Egal wie friedfertig wir auch nach außen hin erscheinen mögen, so schlummert es doch in uns, bereit, uns jederzeit zu bedrohen. Wir können seiner nur Herr werden, indem wir den Kampf jeden Tag aufs Neue aufnehmen. Das ist das, was Gott von uns verlangt. Ob es uns gelingt, unterliegt allein unserer Kraft und unserem Willen.“
Epilog
Emich von Flonheim gelangte nie bis nach Jerusalem. Die Bevölkerung Ungarns verweigerte seinen Truppen Nahrung und so kam es zu erfolglosen Gefechten, in denen viele Kreuzfahrer getötet wurden. Er selbst kehrte gedemütigt auf seinen Landsitz zurück und verbrachte den Rest seines Lebens mit der Schmach, seinen Eid nicht erfüllt zu haben.
Kaiser Heinrich IV. ordnete ein Jahr später an, dass die jüdische Gemeinde wiederherzustellen sei. Außerdem nahm er die Vorfälle zum Anlass, eine Untersuchung gegen Erzbischof Ruthard durchzuführen, denn er zweifelte schon länger an dessen Loyalität und bezichtigte ihn auch der Unterschlagung des jüdischen Vermögens. Im Jahr 1105 wurde Heinrich IV. durch seinen Sohn Heinrich V. entmachtet. Er starb 1106 und wurde 1111 nach mehreren Umbettungen in der Krypta des Speyerer Doms beigesetzt. – Ruthard entzog sich dem kaiserlichen Gericht und verbrachte die nächsten sieben Jahre im thüringischen Teil seiner Diözese. Er sagte sich schließlich von Papst Clemens III. und Kaiser Heinrich IV. los und bekannte sich zu dessen Sohn König Heinrich V.. Erst unter
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