Das Blutband: Der 11. Handyman Jack Thriller (German Edition)
Menschen von seinem wahren Selbst trennten, klangen abgedroschen.
»Aldous Huxley hat gesagt, man müsse die Tore der Wahrnehmung aufsperren.« Er lacht. »Ich habe in der zehnten Klasse die Schule abgebrochen. Ich habe über die Doors Huxley kennengelernt. Jim Morrison – der Lizard King – war immer schon so etwas wie ein Idol von mir. Aber ich sage, begnügt euch nicht damit, diese Türen aufzusperren, ›TRETET SIE EIN!‹, ruft er in ermahnendem Tonfall, der zu vollen Häusern auf seinen Lesereisen durch das ganze Land geführt hat.«
Jim Morrison war sein Vorbild? Jack sah sich das Bild an. Ja, das war offensichtlich. Mit diesen langen, ungebändigten dunklen Locken sah Thompson tatsächlich so aus, wie Morrison vielleicht ausgesehen hätte, wenn der lange genug gelebt hätte, um Ende 30 zu werden. Nur die Augen passten nicht. Er hatte nicht Morrisons durchdringende dunkle Augen.
»Von all den möglichen Personen der menschlichen Geschichte sucht er sich gerade Jim Morrison als Idol aus?«
Abe blickte verwirrt drein. »Jim Morrison … Wer ist Jim Morrison? Ist das ein Kunde von dir?«
»Vergiss es. Meint der Kerl das ernst?«
Ein typisch Abe’sches Schulterzucken. »Woher soll ich das wissen? Eine Menge Leute glauben das offenbar.«
»Ich sage ihnen, sie sollen die Türen eintreten und das Licht hineinlassen – neues Licht, neue Luft, eine neue Welt wartet. Die Zukunft ruft euch – ANTWORTET!«
Jack sah auf. »Es gibt Leute, die ihm diesen Mist abnehmen?«
»Massenweise. So wie es aussieht, ist er ein begnadeter Redner.«
Jack las weiter und blieb an einem anderen Zitat hängen.
»Es ist Zeit, euch von der Herde abzusetzen. Ihr wisst, wer ihr seid. Ihr wisst, zu wem ich da rede. Ihr gehört nicht zu der Herde. Kommt aus eurem Versteck heraus. Tretet aus der Masse heraus. Fangt an mit der Ausgliederung.«
»›Ausgliederung‹. Das ist neu.«
»Dir sollte das bekannt sein. Du solltest es sogar verinnerlicht haben. Das ist das, was du bereits mit deinem Leben gemacht hast.«
Jack dachte darüber nach. Wahrscheinlich hatte er das wirklich. Aber er hatte den Eindruck, dass Thompson damit nicht meinte, im Untergrund des offiziellen Lebens zu existieren.
Als ich ihn frage, was er dazu sagt, dass behauptet wird, ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz seiner Anhänger – die sogenannten Kicker – habe eine kriminelle Vorgeschichte, verfinstert sich seine Miene.
»Erst mal, die sind nicht die ›Anhänger‹ von irgendwem. Wenn man ausgegliedert ist, dann folgt man nur dem eigenen Weg. Und was den Rest angeht – das sind nur Halbwahrheiten, die von eifersüchtigen Rivalen verbreitet werden, die mich als Gefahr für ihre eigenen kleinen Selbsthilfeimperien sehen! Aber deren Form von Selbsthilfe reduziert sich im Grunde darauf, mit dem schwer verdienten Geld anderer Menschen reich zu werden. Bei uns gibt es Kicker, die sind Vorstandsvorsitzende großer Firmen, Hausfrauen, Sekretärinnen. Ich bin nicht darauf aus, ein Vermögen anzuhäufen oder ein Imperium aufzubauen.«
Ich dränge weiter auf das kriminelle Potenzial seiner Gefolgsleute, weil das vielen Menschen Sorge bereitet.
»Meine Botschaft ist an die Benachteiligten gerichtet, genauso wie an die Privilegierten. Wenn es da eine Menge Leute unter den Kickern gibt, die von gewissen Menschen gerne zur ›Unterschicht‹ gezählt werden, dann liegt das daran, dass ich angefangen habe, meine Botschaft in Bars und Kaschemmen und auf den Treffen von Selbsthilfegruppen zu verkünden, oder einfach nur auf der Straße. Ich habe meine Geschichte erzählt, ein paar meiner Bücher verkauft und bin dann weitergezogen.
Diese Menschen fühlten sich von mir angesprochen. Ich stamme daher, wo sie auch herkommen, und ich habe das durchgemacht, was sie durchgemacht haben, habe das überstanden, was sie auch überstanden haben. Niemand sonst redet mit ihnen oder für sie. Sie wissen, sie bedeuten mir etwas und ich werde sie nicht anlügen. Und sie hören mir zu, weil sie wissen, dass ich ein Mann mit einer Berufung bin.«
Ich frage ihn, worin die besteht.
»Nun, ich bin natürlich dazu berufen, die Welt zu verändern.«
Jack schaute auf: »Jacks oberstes Gesetz: Traue niemals jemandem, der die Welt verändern will.«
Er starrte wieder auf das Porträtfoto von Hank Thompson. Die gleiche merkwürdige Zeichnung war entweder an die Wand hinter ihm gemalt oder hing dort als Bild. So, wie sie ihn einrahmte, sah es aus, als würden ein paar der Ausläufer aus seinem
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