Das Blutgericht
interessante Verbindungen zu bestimmten Militärakten aufzeigen. Bei meinem Hintergrund und meiner Nähe zum Tatort würde mein Name für einiges Stirnrunzeln sorgen. Gott, ich könnte mich glücklich schätzen, wenn mir nicht die Schuld für den gesamten Wirbel in die Schuhe geschoben würde.
Rink schloss sein Büro ab, mit seinem Porsche Boxster machten wir uns auf den Weg. Der Ford Explorer wäre für zwei so kräftige Typen sicher bequemer gewesen, aber den hatte ich letzte Nacht in Miami Beach zurücklassen müssen. Vielleicht wurde er auch bereits in irgendeiner Hinterhofwerkstatt in SoBe auseinandergenommen, und ich würde den SUV nie wiedersehen.
Wir fuhren über Land, an Bartow vorbei und an einer Reihe von niedrig gelegenen Seen und weiten Grasflächen mit gelegentlichem Pinienbewuchs. In Fort Pierce nahmen wir die Route 1 nach Süden. Zu unserer Linken zeigte sich eine Halbinsel, die sich an die Küste schmiegte und vom Festland durch einen den Gezeiten unterworfenen Sandstreifen getrennt war.
Noch etwa eine weitere Stunde Fahrt, und wir würden bei den streng abgeschotteten Anwesen von Neptune Island eintreffen.
Wir wollten Bradley Jorgenson zur Rede stellen.
Wir hatten uns dafür entschieden, unsere Karten auf den Tisch zu legen. Mit Jorgenson zu reden. Falls er Mariannes Freiheit im Wege stehen sollte, würden wir ihm mal Bescheid stoßen – falls sie das tatsächlich wollte.
Die ersten Zweifel waren mir gekommen, als ich sah, wie sie sich in seine Arme geworfen hatte, als sie dachte, dass sie sterben müssten.
Ihre Reaktion auf die Aufforderung des Killers, dass Jorgenson wählen solle, wer zuerst sterben müsse.
»Mari«, hatte Jorgenson zu ihr gesagt, »es tut mir leid, dass ich dich da mit hineingezogen habe, Baby.«
»Ist … nicht … deine Schuld«, hatte sie zurückgeflüstert.
Im ersten Moment hatte ich den Worten nicht allzu viel Bedeutung beigemessen. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, darauf zu achten, was der Killer zu sagen hatte, aber als ich daran zurückdachte, fiel mir die Sanftheit in ihrer Stimme auf. Kein Anflug von Vorwürfen oder gar Resignation. Sie hatte gemeint, was sie sagte. So klang es, wenn jemand zutiefst verliebt ist. Es hatte sich nicht nach jemandem angehört, der von seinem Gegenüber eingeschüchtert wird.
Und dann war da noch Rinks Andeutung, dass nicht alles so einfach war, wie es aussah. Dass Mariannes Verletzungen vielleicht gar nicht von Bradley herrührten, dass sie vielleicht von einer anderen Person stammten, die Grund hatte, ihr wehzutun. Zeugen gaben an, dass Jorgenson mit jemand anderem gestritten hatte. Kurz darauf war Marianne zur Behandlung in die Notaufnahme gebracht worden. Die Zeugen hatten eins und eins zusammengezählt – aber vielleicht konnten sie gar nicht so gut rechnen.
Und dann war da noch die Sache mit dem Auftragsmörder.
Der Killer war in Jorgensons Anwesen auf Baker Island aufgetaucht, weil jemand ihn geschickt hatte. Er hatte vor, nicht nur den Erben der Jorgenson-Milliarden zu töten, sondern auch Marianne. Vielleicht hatte mein Erscheinen den Mörder davon abgehalten, aber schlussendlich war es Bradley gewesen, der alles riskiert hatte, um sein Mädchen zu schützen. Ich war immer noch sauer, dass er mir die Weinflasche übergebraten hatte, aber das konnte ich ihm nicht ernsthaft zum Vorwurf machen. Schließlich war ich für ihn auch nur ein bewaffneter Mann, der seine Frau in Gefahr brachte. Im umgekehrten Fall hätte ich das Gleiche getan – und höchstwahrscheinlich noch ein ganzes Stück mehr.
Rink blieb die ganze Fahrt über sehr still. Selbst als wir uns Neptune Island näherten, hatte er wichtigere Sachen im Kopf als die Reaktionen, die unser Überraschungsbesuch hervorrufen mochte.
Seine Mutter Yukiko lag möglicherweise im Sterben. Er hätte in ihren letzten Tagen bei ihr sein sollen, aber er hatte sich dafür entschieden, bei mir zu bleiben. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich ihn ins erste Flugzeug nach San Francisco gesetzt. Aber ich wusste, wie Rink darüber dachte. Soldaten akzeptieren ihr Los, ohne mit dem Schicksal zu hadern.
Es gibt ein altes Samurai-Sprichwort, das besagt, dass der Kämpfer auch bei Regen in der Mitte des Weges geht. Sein Pfad ist vorgegeben, und er darf nicht davon abweichen. Die Untrainierten suchen Deckung und werden dennoch nass, weil Wasser aus den Traufen der Häuser rinnt, bei denen sie Unterschlupf suchen. Der Kämpfer weiß, dass er nass werden wird, und gesteht dem
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