Das Blutgericht
herausprügeln?«
Endlich schien Seagram bewusst zu werden, wo er war. Die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück. Er schlug nach Rinks Hand. »Lassen Sie mich um Himmels willen los.«
Rink ließ ihn los und trat einen Schritt zurück. Seine Hände hielt er in Reichweite für den Fall, dass die Notwendigkeit bestünde, Seagram eine zu verpassen.
Seagram schaukelte auf dem Stuhl hin und her. Er betrachtete seine Hände, dann hob er die Handflächen, wie ein Magier vor seinem großen Zaubertrick. Zu Bradley sagte er: »Das ist Petres Blut.«
Petre Jorgenson. Ich erinnerte mich an Mariannes Erklärung von vorhin, dass Petre Bradleys ältester Cousin war. Einer jener anständigen Männer, von denen sie nicht glauben konnte, dass sie Bradley oder ihr gegenüber Mordabsichten hegten.
»Ist er verletzt?«, fragte Bradley.
Dem Blut an Seagrams Händen und Klamotten und seiner Reaktion nach zu urteilen, war die Frage ziemlich überflüssig. Aber fairerweise musste ich gestehen, dass mir die Frage auch auf der Zunge gelegen hatte. Nur dass ich sie jetzt etwas anders formulierte. Ich fragte: »Ist er tot?«
Seagrams Gesicht verzog sich wie die Fratze eines höhnischen Monsters. Er starrte auf den Boden vor seinen Füßen, als ob er in den Teppichfasern die Lösung eines großen Rätsels finden würden. Als er wieder hochsah, hatte er einen Anflug von Raserei im Blick. »Sie sind alle tot. Bis auf den letzten Mann. Ermordet von dem Mann, der auch hinter Ihnen her ist!«
Hinter mir hörte ich erst Marianne aufstöhnen. Und dann Bradley. Rink tat das, was ich auch tat: Wir holten unsere Waffen raus.
»Erzählen Sie uns, was passiert ist«, forderte ich ihn auf.
Seagram schüttelte den Kopf. Nicht weil er die Tatsachen leugnen wollte, er musste erst einmal die Worte in seinem Kopf sortieren. Entweder das, oder er versuchte sich eine plausible Lüge einfallen zu lassen. Ich hatte es in meinem Leben schon zu oft mit selbstsüchtigen Arschlöchern zu tun bekommen – ich erkannte eins, wenn ich es vor mir hatte. Die Geschichte, zu der er gleich anheben würde – schätzte ich –, würde nur zum Teil der Wahrheit entsprechen. Solange sie alle wichtigen Details enthielt, war mir das egal. Mit den Lügen könnten wir uns später beschäftigen.
»Seien Sie nicht sauer, Bradley«, begann er. »Ich bin nur aus Sorge um Sie zu Petre gegangen und habe mit ihm geredet. Ich dachte, dass er uns helfen könnte. Er hat seine eigene Wachmannschaft, und ich dachte, wenn wir die Ressourcen zusammenlegen –«
»Dann hätten wir einen noch größeren Haufen Amateure, die hier mit Knarren durch die Gegend rennen«, fuhr Rink dazwischen.
Seagrams Gesicht verdüsterte sich. Aber er ignorierte die Beleidigung. Er fuhr fort. »Als ich dort ankam, hörte ich, wie sie sich oben unterhielten. Ich sah niemanden aus seiner Mannschaft, also ging ich die Treppe hoch, zu Petres Büro. Auf einmal fielen Schüsse. Türen wurden zugeschlagen. Noch mehr Schüsse. Dann war es still. Es ist mir peinlich, zugeben zu müssen, dass ich nicht sofort ins Zimmer gestürmt bin, um einzugreifen, aber schließlich bin ich in erster Linie Ihr Angestellter. Dann kam mir die Idee, wieder zurückzurennen und sofort Alarm zu schlagen.«
»Sehr großmütig«, sagte Rink. Mein Freund wandte sich von Seagram ab, ich konnte sehen, dass er dessen Geschichte in etwa so viel Glauben schenkte wie ich auch. Das Einzige, was daran glaubhaft klang, war, dass er nicht versucht hatte zu helfen.
»Was hätte ich denn tun sollen?«, fragte Seagram. »Ich hatte keine Ahnung, wer sich in dem Zimmer befand. Keine Ahnung, wie viele Personen und wie viele Waffen. Ich wartete. Versteckte mich. Dann sah ich einen Mann aus dem Zimmer kommen und die Treppe runterrennen. Erst wollte ich ihn verfolgen, ihn schnappen, aber dann fiel mir ein, dass Petre vielleicht Hilfe brauchte.«
»War Petre tot?«, fragte Bradley.
Seagram sah wieder auf seine Hände.
»Ich habe versucht, ihn zu retten. Aber es hat nichts genutzt. Der Mann hatte zweimal auf ihn geschossen. Er war nicht mehr am Leben.«
»Und wer noch?«, fragte ich.
Seagram sah mich an, als sei ich ein Fremder, der sich gerade erst unter die Leute gemischt hatte.
»Sagen Sie’s mir!«, befahl ich. »Wer wurde noch getötet? Genaue Angaben.«
»Petre. Irgendso ein Computer-Typ. Vier von Petres Wachleuten.« Er wollte gerade dazu ansetzen, sich mit seinen Händen über den Mund zu wischen, als ihm einfiel, dass sie blutbeschmiert waren,
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