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Das Blutgericht

Das Blutgericht

Titel: Das Blutgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Hilton
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Atemreserven mehr.
    Zählte man dazu, dass er mit dem Kopf nach unten im Wagen hing, sein Hintern durch die in seiner Kleidung eingeschlossene Luft angehoben wurde und ihm durch die kaputte Frontscheibe das Wasser ins Gesicht schlug, hätte man es ihm durchaus nachsehen können, wenn er in Panik geraten wäre.
    Aber Dantalion geriet nicht in Panik. Er war Profi. Er war ruhig und routiniert.
    Zumindest in der Theorie.
    Wie so viele, die mit dem Tod rangen, brüllte er vor Furcht. Aber das führte nur dazu, dass er noch mehr kostbaren Sauerstoff aus seiner Lunge verlor. Er zerrte und strampelte und hatte sich schon halb aus dem offenen Fenster geschlängelt. Aber der Wagen riss ihn mit in die Tiefe, seine Unterschenkel und Füße steckten im Fensterrahmen fest.
    Er strampelte und trat um sich, und dann hatte er sich befreit. Aber seine Lunge schmerzte, und an den Rändern seines Sichtfeldes breitete sich Nebel aus, noch schwärzer als die Dunkelheit, die ihn umgab. Er trieb unter Wasser und bewegte seine Arme und Beine, kam aber der Wasseroberfläche nicht näher. Er wusste nicht einmal, in welcher Richtung sich die Wasseroberfläche befand.
    Dann kam ihm die Erleuchtung.
    Der einzige noch funktionierende Scheinwerfer des Lincoln leuchtete in die Tiefe unter ihm. Die letzten paar Luftbläschen, die sich von seinen Lippen lösten, strömten nach oben über seinen Kopf hinweg. Du musst den Bläschen folgen, sagt er sich.
    Er tauchte den Bläschen hinterher – ein Rennen, das er nicht gewinnen konnte. Aber aufgeben würde er nicht. Er schlug mit den Händen um sich und schaufelte ganze Hände voller Wasser aus dem Weg.
    Weiter konnte er sich nicht mehr erinnern.
    Er kam erst wieder zu Bewusstsein, als ihn starke Arme aus dem Wasser hoben. Er wurde auf eine wacklige Fläche gelegt, die er selbst in seinem verwirrten Zustand noch als das Deck eines kleinen Bootes erkannte.
    Dann verschwamm alles vor seinen Augen.
    Der sternenübersäte Himmel war über ihm. Und ein hellgrauer Fleck, den er mal scharf, mal verschwommen registrierte. Etwas Lederartiges schlug ihm ins Gesicht.
    »Hörst du mich, Kumpel?«, fragte eine Stimme. »Hey! Hey! Hörst du mich?«
    Dantalion hob den Arm und ergriff das Handgelenk des Mannes, der ihm ins Gesicht schlug.
    »Hey, Sie leben noch! Alles in Ordnung?«
    »Ja. Wenn Sie aufhören, mir ins Gesicht zu schlagen!«
    »Oh, tut mir leid, Kumpel. Ich dachte schon, ich wäre zu spät gekommen. Ich dachte, Sie wären tot.«
    Dantalion ließ das Handgelenk des Mannes los. Er ließ seine Hand zum Hosenbund sinken und tastete nach der Beule. Fand sein Buch. Er atmete aus. Dann begann er zu husten, rollte sich reflexartig auf die Seite und spuckte Wasser auf die Planken.
    Eine Hand klopfte ihm auf den Rücken, er stieß mit dem Ellenbogen danach. Dann griffen Hände nach seinen Schultern und stützten ihn bei seinen letzten Hustenanfällen.
    »Ganz locker, Kumpel«, sagte der barmherzige Samariter. »In einer Minute oder zwei wird alles wieder gut.«
    Durch die Spuckefäden in seinem Mund sagte Dantalion: »Mir geht es jetzt schon wieder gut. Sie können mich langsam mal loslassen.«
    Aber der Mann wollte nicht hören. Er half Dantalion auf die Beine und ließ ihn dann rückwärts auf eine Sitzbank gleiten.
    »Ich kann gar nicht glauben, dass Sie das überlebt haben«, sagte der Mann. Er stand da mit durchgedrückten Beinen und in die Hüfte gestemmten Händen und schaute nach oben. Über ihm – sehr hoch über ihm – befand sich die dunkle Unterseite der Brücke. Zerborstene Metallteile zeigten die Stelle an, an der Dantalions Lincoln von der Straße durch die Absperrung gerammt worden war. Er war mehr als dreißig Meter tief gefallen. Zehn Meter vom Boot entfernt tauchten immer noch Luftblasen auf – das untergegangene Fahrzeug gab die allerletzten Luftreserven aus den Tiefen der Karosserie frei.
    Dantalion fehlte die Kraft, noch länger hinzusehen. Er ließ den Kopf zwischen seine Knie sinken und spuckte einen langen salzigen Speichelfaden vor sich aus.
    »Ich habe alles gesehen, Kumpel. Ich bin Ihr Zeuge. Ich habe gesehen, wie der Irre Ihren Wagen gerammt und Sie von der Brücke gestoßen hat. Er hat nicht mal angehalten. Ist einfach weitergefahren, als ob nichts wäre.« Der Mann drehte sich zu ihm, um seinen Patienten zu begutachten. »Was muss das für ein Mensch sein, der so etwas tut?«
    »Keine Ahnung«, murmelte Dantalion. Er blickte nach oben und sah seinen Wohltäter zum ersten Mal an.
    Der

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