Das Blutgericht
Gespräch. Kaum hatte ich das Telefon in meine Jackentasche gesteckt, vibrierte es und ich zog es wieder heraus. Eine SMS von Rink.
SICHER ANGEKOMMEN
Gut, sie hatten es bis zum Versteck geschafft. Es war an der Zeit, dass ich mich wieder darum kümmerte, auch Bradley dorthin zu bringen.
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Dantalions Verkleidung hatte ein paar offensichtliche Nachteile. Was konnte ein staatlicher Parkaufseher zum Beispiel überhaupt für ein Interesse an diesem Fall haben? Wenn jemand auf die Idee gekommen wäre, nachzufragen oder sich seine Uniform etwas genauer zu betrachten, wäre seine Tarnung leicht zu durchschauen gewesen. Dieses Privatgelände fiel nicht in seinen Zuständigkeitsbereich, auch dass er hier dienstlich etwas zu erledigen hätte, war absolut unglaubhaft. Andererseits trug er die Uniform einer Behörde, und deshalb konnte er sich unter den anderen Offiziellen bewegen, ohne unangenehme Fragen gestellt zu bekommen. Darüber hinaus hatte seine Verkleidung noch weitere Vorteile. In der Uniform etwa eines Polizisten oder Sanitäters hätte er sich wohl kaum im Hintergrund halten können. Es liefen zu viele Vorgesetzte herum, die mit Befehlen nur so um sich warfen und von ihren Leuten prompte Erledigung verlangten. Parkaufseher gab es hier aber sonst keine. Also auch niemanden, der ihn fragen konnte, wer zum Teufel er überhaupt war, oder ihm eine Aufgabe zuteilte, die ihn von seiner Mission abhielt.
Indem er seinen Blick abgewandt hielt und weiterging, als ob er irgendwo hinmüsste, konnte er direkt an den Beamten des örtlichen Sheriff’s Department vorbeispazieren und sich Bradley Jorgensons Haus nähern. Männer des FBI-Einsatzkommandos hatten die Gegend abgesperrt. Jetzt, wo sich keine unmittelbare Bedrohung mehr abzeichnete, hatte ihre Anspannung nachgelassen. Dantalion sah eine Gruppe mit abgenommenen Helmen und über die Schultern gehängten automatischen Gewehren herumstehen. Sie unterhielten sich und genossen die Sonne. Ein paar von ihnen standen vor dem Haus und rauchten, außer Sichtweite ihrer Vorgesetzten, die sich immer noch drinnen befinden mussten. Das Kommen und Gehen beschränkte sich hauptsächlich auf die Besatzungen der Rettungswagen und die Gerichtsmediziner von Martin County. Anscheinend hatte die Spurensicherung den dreizehn Stunden alten Tatort bereits hinreichend durchkämmt und das Haus den Leuten mit den Leichensäcken überlassen.
Dantalion hielt es für zu gewagt, das Haus zu betreten, wähnte sich aber seiner Anonymität auf dem Gelände ziemlich sicher. Bis jetzt konnte er ja noch nicht einmal davon ausgehen, dass Bradley in sein Haus zurückgekehrt war. Wäre es nicht sogar besser für Bradley, eins der Häuser der Familie aufzusuchen, in denen es kein Blutvergießen gegeben hatte? Wenn er zu einem der anderen Familienmitglieder ging, die nicht an dem Plan beteiligt waren, ihn und Marianne aus dem Weg zu räumen? Das würde Simon und Jack ausschließen, aber es gab immer noch genügend Häuser, die ihm zur Auswahl standen. Gab es einen Onkel oder eine Tante, bei denen er Schutz suchen konnte? Oder hatten die Beamten, die die Untersuchung leiteten, einfach ein Haus requiriert, in dem sie Bradley und andere Überlebende befragten?
Er beschloss, sich nicht zu lange in der Nähe eines der beiden Tatorte aufzuhalten. Je mehr Gesetzeshütern er über den Weg lief, umso größer waren die Chancen, dass er aufflog. Es bedurfte nur eines Cops mit Adleraugen, der ihm Fragen stellte oder seinen Ausweis sehen wollte, und es wäre vorbei. So fehlerhaft die Polizei auch als Ganzes arbeiten mochte, die Beamten waren immer noch gut ausgebildete Profis, die man nicht unterschätzen durfte.
Einigermaßen zufrieden, dass er den silbernen Lincoln, mit dem Bradley und Seagram letzte Nacht geflüchtet waren, nicht entdeckte, ging er weiter Richtung Norden und steuerte das halbe Dutzend weiterer Häuser an, die sich dort an der Küste verteilten.
Das nächstgelegene Haus gehörte Valentins ältester Schwester Hetti. Eine geborene Jorgenson, trug sie jetzt den Nachnamen ihres verstorbenen Ehemanns, Gorman. Das Familienunternehmen bedeutete ihr wenig, sie hatte ihr eigenes Vermögen mit Immobilien gemacht. Aus den Unterlagen, die ihm Petre, als er noch Dantalions Klient war, zugespielt hatte, ging hervor, dass Hetti sich aus den Streitereien zwischen Valentin und ihren Neffen heraushielt und dass von ihr auch keine Sympathien zu erwarten waren. Er bezweifelte, dass Bradley bei ihr Trost oder
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