Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
»Willst du ihm den Weg zu den Göttern weisen, oder soll ich es für dich tun?«
Sie hatte es nicht glauben wollen, doch geduldig hatte Zokora sie dann darauf hingewiesen, dass die Augen des Vaters nicht einmal mehr blinzelten, wenn man sie berührte. Vielleicht auch aufgrund unserer Beteuerungen, dass Zokora eine herausragende Heilerin war und man ihr vertrauen könnte, hatte sich die junge Sera dazu entschlossen, dann selbst zu tun, was getan werden musste.
Vier der Blutreiter war es wie Delgeres Vater ergangen, hier war es Gardeleutnant Sannak gewesen, der ihnen die Erlösung gab. Angeschlagen, auf einem Ohr taub und mit einem Blutgerinnsel im linken Auge, hatte er das Zusammentreffen mit dem Verschlinger ebenfalls überlebt und war vielleicht auch daran gewachsen. Von der Feindseligkeit zwischen uns war nicht mehr viel geblieben. Als Serafine ihn darauf hinwies, dass wir jetzt dem wahren Feind begegnet waren, nickte er und schwor ihr, dass er das nie mehr vergessen würde.
Was uns anging … Hulmir würde niemals wieder einen Bolzen abschießen, er war, mit Mechthild in seinen Händen, dort gestorben, wo er gesessen hatte. Varosch, der es nicht geschafft hatte, sich in die Deckung des Tischs zu begeben, hatte es mit am härtesten getroffen, er hatte sein Gehör fast vollständig verloren und Schwierigkeiten, etwas zu sehen oder sein Gleichgewicht zu halten, doch zumindest Zokora gab sich zuversichtlich, dass er wieder vollends genesen würde.
»Unser Volk ist zäh und verfügt über Heilkräfte, die euch erstaunlich vorkommen müssen«, hatte sie mir beruhigend erklärt. »In ein oder zwei Tagen wird er sich wieder erholt haben.«
Ansonsten gab es kaum jemanden von uns, dem nicht die Adern in den Augen geplatzt waren oder der noch gut hörte; vielen fiel es schwer, das Gleichgewicht zu halten, und jeder von uns litt unter einem Kopfschmerz, als würde jemandem unser Gehirn als Amboss für einen schweren Schmiedehammer dienen. Nur Zokora schien den Angriff unbeschadet überstanden zu haben, doch auch sie bewegte sich langsamer als zuvor. Auf der anderen Seite hatte sie noch nie die Angewohnheit besessen, darüber zu klagen, wie es ihr erging. Tatsächlich gab es für sie wenig Wunden zu versorgen, doch sie verbrauchte fast ihren ganzen Vorrat an Medikamenten, um uns einen abscheulich schmeckenden Trank zu brauen, der uns helfen sollte, schneller zu genesen.
All diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als Varosch von den Göttern sprach, dann half ich schweigend, die Toten in die Gräber zu betten und diese aufzufüllen. Auch als wir die Pferde sattelten, gab es kaum jemanden, der etwas sagen wollte; wir alle hingen unseren Gedanken nach.
Wohin es ging, hatte keiner großen Entscheidung bedurft. Delgeres Schutzgeist hatte ihr gesagt, dass die einzige Hilfe gegen den Verschlinger im Tempel der Astarte in Braunfels zu finden war.
Der Gardeleutnant nannte es einen wohlüberlegten Rückzug, doch in Wahrheit wusste jeder, dass wir flohen.
Delgeres Geist hatte das Ungeheuer nur vertreiben können, mit großen Kosten, wie die junge Schamanin später berichtete, denn seitdem hatte sie ihren Geist nicht mehr wahrnehmen können. Ich ertappte mich bei dem absurden Gedanken, dass ich hoffte, dass sich der Geist erholen möge.
Es war ein müder, zerschlagener Trupp, der durch die Steppe ritt. Kaum einer, der gerade im Sattel saß. Wieder und wieder suchten unsere Augen die Steppe ab, vermuteten hinter jedem Busch und Strauch das Ungeheuer, aber außer einigen Steppenhasen und einem Steppenhund gab es nichts zu sehen.
Kurz vor Mittag kam einer der Hasen zu nah heran. Varosch schwang seine Armbrust herum und schoss … und verfehlte sein Ziel.
»Das ist mir seit Jahren nicht mehr geschehen«, sagte er missmutig, während wir zusahen, wie der Hase davonhoppelte.
Nun, da war er auch nicht fast blind gewesen.
»Es muss die Art sein, wie diese Bestien einst jagten«, vermutete Zokora, als wir am Abend unser Nachtlager aufstellten. »Dieser Schrei … er lähmt jede Beute.«
»Kannst du uns sagen, was es war?«, fragte Serafine, als sie ihre Bettrolle neben meiner ausbreitete. »Es muss mehr als nur ein Schrei gewesen sein.«
»Magie«, antwortete die dunkle Elfe und half wortlos Varosch, der mit zitternden Fingern versuchte, die Schnalle einer Satteltasche zu öffnen. »Eine Welle von Magie. Es gibt nur einen kleinen Trost dabei … so machtvoll wie diese war, wird das Ungeheuer kaum imstande sein, sie oft zu
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