Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
verwenden. Auch er muss Zeit benötigen, um sich von dieser Anstrengung zu erholen.«
»Weißt du das, oder vermutest du das nur?«, fragte ich sie.
Sie sah hoch zu mir.
»Es ist eine Vermutung«, antwortete sie unbewegt. »Von mir aus nenne es auch eine Hoffnung. Denn wenn er es öfter zu tun vermag, sind wir machtlos gegen ihn. Er verfolgt uns, Havald.«
Sie schaute an mir vorbei, und ich drehte mich um, um ihrem Blick zu folgen. Die Dämmerung war bereits aufgezogen, doch noch war es hell genug für mich. Wir hatten unser Lager auf einem kleinen Hügel aufgeschlagen, hoch genug, um weit in die endlose Steppe sehen zu können. Es gab wenig genug, das man als Deckung nehmen konnte, aber sosehr ich auch die Augen zusammenkniff, ich konnte keine Gefahr erkennen.
»Das, Havald, ist jetzt keine Vermutung«, fügte sie leise hinzu, ohne den Blick von der endlosen Steppe zu wenden. »Ich weiß es.«
Gleiches sagte auch die Schamanin etwas später, als Lannis schweigend unseren mageren Eintopf unter uns und den überlebenden Soldaten aufteilte. Die hatten drei Laib Brot beisteuern können, das noch nicht zu hart war, somit reichte es aus. »Er weiß, dass Ihr den Tarn habt«, erklärte Delgere tonlos und starrte wie blind in unser kleines Feuer. »Er ist an den Willen seines Meisters gebunden und wird nicht eher ruhen, bis er es wiederhat.«
»Ich dachte, dieses … Wesen wäre einst ein Mensch gewesen? Ein Seelenreiter?«, fragte Serafine nach. »Wieso ist es dann gebunden?«
»Ihr erinnert Euch, dass An’she’a mir sagte, das Wesen wäre alt?«, fragte Delgere, und wir nickten.
»Sie sagte«, fuhr sie leise fort, noch immer ohne ihren Blick vom Feuer abzuwenden, »es gab sie schon, bevor wir Menschen hierherkamen. Damals waren es Elfen, die hier lebten, und einer von ihnen konnte den Versuchungen der Blutmagie nicht widerstehen. Erst sein Talent zur Magie in Verbindung mit den Gaben dieser Bestie ließ den Verschlinger so machtvoll werden. Die Gefahr durch dieses Wesen war so groß, dass sich An’she’as Volk dazu entschloss, geeint gegen es vorzugehen. Sie erschlugen unter hohen Verlusten jede dieser Bestien und rotteten sie aus, sodass keine neuen Verschlinger entstehen konnten. Da sie dann aber keinen Weg fanden, den Verschlinger zu erschlagen, erschufen sie mit mächtigen Ritualen eine Waffe, die imstande war, den Willen des Verschlingers zu brechen und zu binden. Als man dieses Ungeheuers habhaft wurde, brach und band man dessen Willen und schloss es in einer Gruft ein, mit dem letzten Befehl, dort zu verharren, bis das Ende seines Lebens oder das Ende der Zeiten kommen würden. Mehr konnte auch An’she’a mir nicht sagen. Sie vermutet, dass jemand diese Gruft entdeckt und dann herausgefunden hat, wie man diesem Verschlinger befiehlt.«
Zokora sah zu mir hin.
»Manchmal denke ich, dass du ein Talent dazu hast, die Vergangenheit zu wecken, Havald«, sagte sie leise. »Wo du gehst und stehst, regen sich Dinge und Mächte, die seit Jahrtausenden ruhen … oder aus gutem Grund gefangen waren.«
Vor allem, weil ich schon Ähnliches gedacht hatte, traf mich ihr Vorwurf härter als erwartet.
»Ich sehe nicht, wie du mir das zu Füßen legen kannst«, verteidigte ich mich. »All das nahm doch schon seinen Anfang, lange bevor ich geboren wurde!«
»Ja«, sagte sie, während sie mich mit einem nachdenklichen Blick bedachte. »Das mag sein. Ich wüsste trotzdem zu gerne, was sich damals in diesem Eiskeller ereignet hat.«
Ich schaute zu Serafine hin, die unwillkürlich ihre Arme um sich schlang, als würde sie frieren.
»Er … er versprach mir, dass ich wieder leben würde«, sagte sie mit belegter Stimme, was dann auch die Schamanin dazu brachte, vom Feuer aufzuschauen und mir einen langen Blick zu gönnen. »Das ist das Letzte, woran ich mich erinnern kann, bevor ich mich der Kälte ergab und einschlief. Mehr weiß ich nicht.«
»Ja«, nickte Zokora, die mich noch immer unverwandt anschaute. »Was ich wissen will, ist, wieso er der Meinung war, dieses Versprechen geben zu können … und vor allem, wie war er imstande, es zu halten?«
Jetzt sahen mich alle fragend an.
»Wenn ich es wüsste, würde ich es euch sagen«, grollte ich. »Aber ich kann mich nicht erinnern! Es war ein anderes Leben! Da ist nur …«
»Nur was?«, wollte Zokora wissen.
Ich hob hilflos die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Manchmal glaube ich mich in Träumen zu erinnern. Daran, dass ich mit den Göttern einen
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