Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
dort rastet, hängt oft eine solche Schleife in die Äste. Selbst einem Gott wäre es zu viel, sich um jedes Ersuchen zu kümmern. Aber hin und wieder ist etwas dabei, das mich berührt … und dann versuche ich zu helfen. Meist ohne dass ich mich zu erkennen gebe.«
»Wie fing das an?«, fragte Serafine. »Ich meine, wie kam jemand auf die Idee, Schleifen in den Baum zu hängen?«
Ich lachte. »Das verdanke ich meiner Schwester. Sie pflanzte diesen Baum, den ich dir eben zeigte, und fing an, diese Schleifen daran zu hängen, Schleifen mit ihren Wünschen für mich. Sie sagte einmal, dass sie hoffte, die Vögel würden diese Schleifen zu mir tragen. Ich war ja oftmals lange Zeit unterwegs, sie tat es nur, um sich mir nahe zu fühlen. Wenn ich dann zurückkam, führte mich mein erster Weg zu dem Baum, um zu sehen, wie es ihr in der Zwischenzeit ergangen war, und ob ich etwas für sie tun konnte. Sie hatte ja gut geheiratet, so mangelte es ihr an nichts, es waren meist die kleinen Wünsche, die sie auf die Schleifen schrieb. Irgendwann fand ich eine Schleife, die nicht von ihr war, und dachte … warum nicht … ich hatte ja nichts Besseres zu tun. Und dann … als sie bei Soltar war und es noch immer Schleifen in den Ästen zu finden gab, war ich froh darum, es erinnerte mich an sie.«
Serafine war nachdenklich, als wir die Treppe hinaufstiegen. »Es ist also tatsächlich, wie du sagst«, meinte sie dann leise. »Du hast Besseres zu tun, als ständig nur an einem Ort zu verweilen und ein normales Leben zu führen.«
»Du weißt, dass ich nicht viel mit meinem Leben anzufangen wusste. Es gab mir einfach etwas zu tun … und führte mich in jede Ecke der Südlande. Mal war ich hier jemand, der in einem Gasthof half, dort trieb ich Kühe in die Berge, an anderen Orten half ich, Scheunen oder Häuser zu errichten, einmal grub ich sogar einen Brunnen.« Ich lachte, als ich mich daran erinnerte. »Ich geriet in Panik, als plötzlich das Wasser schneller stieg, als ich gedacht hatte, ich glaube, nie ist jemand so schnell ein Seil hinaufgeklettert wie ich damals. Ich lernte viel … und lernte viele Menschen kennen. Dann war da noch Seelenreißer. Wenn mich ein Wunsch auf einer Schleife zu einem Ort führte, gab es dort oft genug auch für ihn etwas zu tun. Abseits der größeren Städte oder Ortschaften war das Land nicht sehr sicher, oftmals gab es Streitigkeiten zwischen Baronen, und oftmals zogen versprengte Räuberbanden durch das Land und schufen grundlos Not …« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich konnte nicht immer helfen, vieles stand nicht in meiner Macht, aber so ergab mein Leben einen Sinn.«
»Das ist also die Legende vom Wanderer.« Serafine blieb stehen und musterte mein Gesicht. »So unstet bist du also gar nicht«, stellte sie dann fest. »Du hast deinem Leben einen Sinn gegeben und bist den Pfaden gefolgt, aber nicht zufällig, wie vom Wind dahergetrieben, sondern mit Ziel und Plan.«
»Ich sehe es eher so, dass es mir die Langeweile vertrieb … so hatte ich immer etwas zu tun.«
»Warum wolltest du dann sterben?«, fragte sie mich leise.
»Es dauerte einfach zu lange an. Ich kam an Orte, an denen ich einst jemanden gekannt hatte … und statt sie aufzusuchen und mit ihnen zu trinken und über alte Zeiten zu plaudern, wie man es so tut, blieb mir nichts anderes, als ihnen auf dem Totenacker zuzunicken und weiterzuziehen. Ich … ich glaube, ich wurde einfach traurig. Dann fiel es mir schwer, mich überhaupt noch aufzuraffen. Der Hammerkopf … er lag auf dem Weg nach Coldenstatt, wo ich auch lange lebte, und ich kannte Eberhard schon, seitdem er ein kleiner Junge war … und ebenso Sieglinde, ich ließ sie einmal auf meinen Schultern reiten, und sie hatte Spaß daran, nur bezweifle ich, ob sie sich erinnert … oder erinnern will. Ein Ort, an dem ich nicht unbedingt unter Freunden war, ich ließ ja niemanden mehr an mich heran, aber doch zumindest einer, an dem man mir wohlgesonnen war. Ein guter Ort zum Sterben. Ich hatte einfach genug.«
»Und jetzt?«, fragte sie vorsichtig.
Ich lachte. »So oft, wie man schon versucht hat, uns umzubringen, bei alledem, was uns der Nekromantenkaiser entgegenstellt? Es war schon immer so, gerade dann, wenn mich jemand zu Soltar bringen will, entwickle ich eine große Abneigung dagegen. Ich wollte es nicht, aber ich habe wieder Freunde, eine Aufgabe, ein Ziel. Es gibt wieder etwas für mich zu tun.«
»Ja«, sagte Serafine nachdenklich. »Es ist
Weitere Kostenlose Bücher