Das böse Auge
gescheitert. An Händen und Füßen hatten die Zwergenhaften ihn zu ihren Höhlen zurückgeschleift.
»Erzähle jetzt weiter!« Ein Stein flog heran. Luxon konnte nur knapp ausweichen. »Eine neue Geschichte! Wozu bist du unser Häuptling?«
Drei, vier Valunen kamen auf den Felsen zu und legten die Köpfe weit in den Nacken. Ihre Haare teilten sich über den Gesichtern, und. schon begannen ihre Augen ihr schauriges Farbenspiel zu zeigen.
»Gut, gut!« rief er. »Setzt euch wieder. Ich fange an!«
Damit er wenigstens für Stunden wieder Ruhe hatte und vielleicht etwas schlafen durfte. Er wußte, daß er hier heraus mußte, aus diesem düsteren Gefängnis, das größer und weiter war, als sein Auge reichte. Aber wie?
»Ich erzähle euch die Geschichte von dem Mann, der ein Königssohn war und von skrupellosen Schurken um seinen Thron gebracht wurde. Dieser Mann hieß Arruf und war der Sohn eines mächtigen Herrschers, der Shallad geheißen wurde.«
Die Valunen scharten sich wieder im Kreis um den Felsen. Andere kamen aus Höhlen und gesellten sich zu den gespannt Lauschenden. Natürlich hatte Luxon ihnen auch diese Geschichte schon erzählt. Auf diese Weise konnte er sich wenigstens etwas seinen Zorn auf Hadamur von der Seele reden. Natürlich wußten die Valunen nicht, wer der Shallad war und daß es ein Shalladad gab. Vorsichtshalber aber nannte Luxon seinen Namen in der Geschichte nicht.
»Arruf wußte lange Zeit nicht, daß er der rechtmäßige Herrscher war und ein anderer auf seinem Thron saß, bis er einen Freund fand, den er zunächst gar nicht als seinen Freund erkannte und behandelte. Im Gegenteil versuchte er, diesem Mann alles streitig zu machen, was er für sich beanspruchte. Der Mann hieß Mythor und wurde vom Volk ,Sohn des Kometen’ genannt. Arruf aber glaubte, selbst der Sohn des Kometen zu sein und somit auch alle Schätze besitzen zu müssen, die der Lichtbote für ihn hinterlassen hatte.«
Luxon erzählte den Valunen nun von seinen vielen Abenteuern während dieser Zeit, als er Mythor immer und immer wieder ein Schnippchen zu schlagen versuchte – meist mit Erfolg. Dann redete er von den Ereignissen, die dazu geführt hatten, daß er die Wahrheit über sich selbst erfuhr. Das schien die Zwerge weniger zu interessieren als die Schilderung der Schlacht um Logghard. So war es schon beim erstenmal gewesen. Und auch jetzt lauschten die Valunen wieder gebannt.
»Dann«, fuhr Luxon fort, wobei seine Zunge immer trockener wurde und er wieder das Gefühl hatte, mit jedem gesprochenen Wort würde ein Teil seiner Seele regelrecht aus ihm herausgesogen, »als die Schlacht um die Ewige Stadt geschlagen und die Mächte der Finsternis besiegt worden waren, wurde Arruf vom Oberkommandierenden Logghards als neuer, rechtmäßiger Shallad anerkannt. Dieser Oberkommandierende hieß Gahmed, der Silberne, und war noch vom Shallad Riad, dem Vater Arrufs, eingesetzt worden. Ihm und seinen tapferen Kriegern entging es nicht, daß Hadamur, der falsche Shallad, sich feige vor dem Kampf gedrückt hatte. Also schworen sie dem falschen Herrscher ab und gelobten Arruf die Treue.«
»Und Arruf besiegte den falschen Herrscher?« fragte einer der Zwerge schrill dazwischen.
Luxons Miene verfinsterte sich. Er schüttelte den Kopf.
»Nein. Etwas geschah, womit niemand rechnen konnte. Irgend jemand muß einen Rachedämon beschworen haben, der Arruf daraufhin übel mitspielte. Er ließ Arrufs Geist in einen anderen Körper überwechseln, der nach seinem Vorbild entstanden war. In diesem anderen Körper starb Arruf auf dem Richtplatz von Hadam, Hadamurs neuer Residenzstadt. Vorher rief er aus, daß doch Hadamur der rechtmäßige Shallad sei und er nur ein Betrüger. Der echte Arruf aber erwachte später im Gefährt des Alleshändlers Necron, und sein Geist war zu ihm zurückgekehrt, nachdem er seinen eigenen Tod miterleben mußte – und die Demütigung.«
»Wir kennen Necron auch!« rief ein Valune. »Er brachte uns etwas!«
Sie wußten nicht einmal mehr, daß er ihnen ihn gebracht hatte, Luxon.
»Necron verkaufte den unglücklichen Arruf irgendwo in der Düsterzone!« schrie Luxon den Zwergen entgegen. »An so abscheuliche Kreaturen, wie ihr sie euch gar nicht vorstellen könnt! Aber er wird auch einen Weg finden, sich aus ihrer Gewalt zu befreien, und wenn er noch einmal zehn Tage warten muß!«
»Das war deine Geschichte?« fragte ein Zwerg, der auf halber Höhe auf einem Vorsprung des Felsens hockte. In die anderen,
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