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Das böse Auge

Das böse Auge

Titel: Das böse Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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sprach von ihnen, von »seinen« Valunen, und nun war er selbst der Häuptling, der dazu aufrief, die Zeichen richtig zu deuten und unverzüglich zu einem Raubzug in den Norden aufzubrechen.
    Gebannt hörten die Zwerge ihm zu. Kein einziger wagte es, ihn zu unterbrechen.
    »Dies war mein Traum«, schloß er. »Und er beginnt sich bereits zu erfüllen! Hört auf mich, wenn ihr nicht elend zugrunde gehen wollt! Laßt uns aufbrechen und uns neue Tiere einfangen oder rauben! Und bringt den Dämonen Opfer, um ihren Zorn zu besänftigen!«
    Dies gehörte dazu, sollte seine Geschichte noch glaubwürdiger klingen.
    »Wie viele Graupferde habt ihr noch?«
    »Sieben«, rief ein Valune. »Hinter dem Königshügel in den Pferchen! Aber…!«
    Der Königshügel war jener, an dessen Hang sich Luxons Höhle befand. Wie es dahinter aussah, wußte er nicht.
    »Sie werden verhungern oder krank dahinsiechen! Es ist besser, ihr schlachtet sie gleich jetzt auf der Stelle! Opfert sie den Dämonen, um weiteres Unglück von eurem Stamm abzuwenden!«
    Die Zwerge blickten sich gegenseitig an. Luxon hatte inzwischen gelernt, ihre Gesten zu deuten. Die meisten Valunen schienen sich dazu durchzuringen, seiner Aufforderung Folge zu leisten.
    »Wir glauben, daß du uns einen guten Rat gibst, Hordenführer!« rief jener, der normalerweise auf dem Felsvorsprung saß und ihm lauschte. »Aber wir haben vergessen, wie man die Tiere schlachtet! Du mußt es uns zeigen, Luxon!«
    Luxon seufzte. Erst jetzt spürte er, wie sehr ihn diese unschuldigen kleinen Plagegeister ausgezehrt hatten.
     
     
    *
     
    Sie sahen ihn weiter an. Allerdings waren ihre Blicke nun auf seine Hände gerichtet. Luxon hatte sich kurz in seine Höhle begeben, angeblich, um Beschwörungen vorzunehmen und sich auf die Opferung vorzubereiten. Als er wieder völlig klar denken konnte, war er zufrieden mit sich und dem Erreichten – wenn auch noch ein langer Weg vor ihm lag. Mehr war nicht zu holen gewesen.
    Auf dem Weg über den Hügel gingen ihm zwei Valunen voran, und die sahen sich nur gelegentlich nach ihm um. Die Blicke der anderen in seinem Rücken spürte er nicht. Nur möglichst wenig in ihre Augen sehen!
    Nachträglich verwünschte er jetzt seinen Einfall. Er war kein Schlächter. Natürlich waren die Graupferde weder verwunschen noch krank. Sie einfach zu töten und dann liegenzulassen, bis sie verfaulten oder von Aasfressern vertilgt wurden, bedeutete eine unverantwortliche Verschwendung.
    Nun stand er vor dem Pferch, in der rechten Hand ein scharfes Messer aus Stein. Schon richteten sich wieder die Blicke der Valunen auf sein Gesicht, erwartungsvoll und ungeduldig.
    Luxon starrte das Messer an, und ihm kam eine Idee.
    Er hatte beobachtet, wie die Zwerge mit dem gleichen Stein, aus dem das Messer bestand, Funken geschlagen hatten. Sie taten es nur zum Spaß, denn die Kunst, Feuer zu machen, beherrschten sie nicht. Hier aber wuchs hohes, blaues Gras, von dem die Graupferde fraßen. Das gleiche Gras bildete – getrocknet – die Schlafstätten der Zwerge.
     »Wir werden nur ein Tier schlachten«, verkündete er. »Ich hatte eine Vision, als ich in meiner Höhle war. Die übrigen sechs Tiere sollen…«
    »Was ist das, eine Vision?« wurde er unterbrochen.
    Was bin ich noch alles? fragte sich Luxon. Hordenführer, Erzähler und nun auch noch Lehrer!
    »Eine Vision ist, wenn die Dämonen mir sagen, was ich tun soll«, erklärte er verzweifelt. »Sie verlangen, daß wir ein Pferd schlachten, die anderen sechs aber geradewegs zu ihnen in die Schattenzone schicken.« Er hoffte inbrünstig, daß die Mächte der Finsternis, mit denen er so vertraut zu sein vorgab, nichts von dem gewahr wurden, was er hier an Haarsträubenden zum Besten gab.
    »Und wie willst du das tun?«
    »Wißt ihr noch, wo sich eure Höhlen befinden?« fragte er.
    »Natürlich!« versicherte einer der Zwerge.
    »Dann geht dorthin zurück und holt mir trockenes Gras. Und bringt die Steine mit, mit denen ihr Funken springen laßt.«
    Die Valunen blickten sich an, tuschelten miteinander und traten schließlich vor ihn hin.
    »Wir tun, was du uns sagst, Häuptling. Zwei von uns bleiben bei dir.«
    Damit machten sie sich auch schon auf den Weg. Die beiden Zurückbleibenden richteten ihre Blicke auf Luxon, um zu verhindern, daß er wieder auf dumme Gedanken kam. Als er sah, daß ihre Augen vorsorglich ihr betörendes Farbenspiel zu zeigen begannen, schwang er sich über das Gatter und trat auf das nächstbeste

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