Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das böse Auge

Das böse Auge

Titel: Das böse Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
Vom Netzwerk:
bitten…
    Wo waren jetzt seine Getreuen? Suchten sie nach ihm? Sollte er doch warten – auf ein Wunder?
    Aber vielleicht schmachteten sie alle schon in den Kerkern des falschen Shallad.
    Nein, Luxon mußte einen Weg finden, sich selbst zu helfen, solange er noch dazu in der Lage war.
    Allein ließen die Valunen ihn nicht fort. Doch wenn er sie mitnahm? Wenn er sie dazu bringen konnte, einen Raubzug in das Land im Norden zu unternehmen – mit ihm an der Spitze…?
     
     
    2.
     
    Als sie ihn wieder holten, war die Luft von einem unheimlichen Brausen erfüllt. Ein kühler Wind strich durch die bizarren Felsgebilde auf den Gipfeln jenseits der Senke. Grüne Lichter huschten über die Hänge. Schrilles Pfeifen kündete davon, daß Himmelssteine nicht weit entfernt herniedergingen. Die Valunen schienen verängstigt. Nur zögernd kamen sie aus ihren Höhlen, als Luxon zum Erzählerfelsen geführt wurde.
    Die Augen der Zwerge glühten überall in der Düsternis. Schon spürte Luxon wieder, wie sie ihn einlullten. Die Stunden des Alleinseins hatten ihm gutgetan. Er fühlte sich frischer, was ihm eine zusätzliche Bestätigung für seine Überlegungen war.
    Aus der Düsterzone heraus! sagte er sich in Gedanken immer wieder vor. Raubzug! Flucht!
    Er bewegte dabei lautlos die Lippen, was die Valunen das Windgeheul und die Leuchterscheinungen schnell vergessen ließen. Was er von ihren Gesichtern sehen konnte spiegelte schon Entzücken wider. Sicher erwarteten sie eine neue, ganz besondere Geschichte von ihm.
    Vielleicht hätte er sie diesmal vertrösten können, bis die Erscheinungen abgeklungen waren. Doch nun war er es, der es nicht abwarten konnte, sie zu unterhalten. Er durfte nicht wieder vergessen, was er sich zurechtgelegt hatte.
    So kletterte er auf den Felsen und setzte sich. Die Zwerge scharten sich um ihn. Luxon versuchte, an ihnen vorbeizublicken, doch sie waren schier überall.
    Dann mußte er brüllen, um sich verständlich zu machen:
    »Hört mir alle zu!« rief er. »Ich hatte einen Traum!«
    »Einen Traum?« kam es von unten. »Sag uns, was das ist, Luxon!«
    Er war verblüfft. Träumten die Valunen denn nie?
    »Eine ganz besondere Art von Geschichten!« rief er. »Geschichten, die den Menschen im Schlaf einfallen und die bald schon wahr werden! Es ist eine Geschichte über euch!«
    Die Valunen gerieten ganz außer sich, als sie dies hörten. Einige sprangen auf und hockten sich auf Vorsprünge des Erzählerfelsens.
    »Erzähle uns über uns, Häuptling! Wir wollen alles hören! Was hast du geträumt?«
    »Seelensauger!« sagte der ehemalige Meisterdieb leise vor sich hin. Die Begeisterung der kleinen Kerlchen, die ihn nun so treuherzig anblickten, war schon dazu angetan, ihn die Gefahr vergessen zu lassen, die ihm von ihnen drohte. »Sie sind Seelensauger!«
    »Erzähle von uns! Erzähle!«
    Sie drückten sich gegenseitig vom Felsen, rappelten sich auf und kämpften wieder um die besten Plätze. Die Kunde vom bevorstehenden Ereignis verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Valunen kamen über die Hügel, schoben sich regelrecht aus dem Boden und trampelten aufeinander herum.
    Luxon begann. Er konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor so viele von ihnen auf einem Haufen gesehen zu haben. Das mußten mittlerweile über hundert sein.
    »Es war einmal ein Stamm wie eurer. Die…«
    »Kein Stamm wie der unsere!« wurde er sofort unterbrochen. Der Schreihals stand vor dem Felsen und gestikulierte mit den beiden überlangen Armen. »Unser Stamm! Es gibt nur unseren!«
    »Es waren einmal viele Valunen«, machte Luxon einen neuen Anfang, und diesmal schienen die Zwerge schon zufriedener. »Die Valunen lebten zufrieden in ihren Höhlen, denn sie hatten alles, was sie brauchten – Nahrung, einen Häuptling, der ihnen Geschichten erzählte und ihnen sagte, was sie zu tun hatten, und ihre behaglichen Behausungen. Ab und an gingen sie auf Raubzug und kehrten mit großen Schätzen zurück.«
    Er sah ihre Augen auf sich gerichtet, spürte, wie sie an ihm hafteten und fühlte schon, wie etwas aus ihm herausströmte. In der Höhle hatte er sich geschworen, nie wieder von sich selbst zu erzählen. Aber war das, was er nun tat, nicht viel gefährlicher? In ihrer Wißbegierde saugten sie ihn schon dann aus, wenn er von sich sprach. Wieviel größer mußte ihre Gier dann sein, wenn es um sie selbst ging?
    Aber er mußte dies hinter sich bringen.
    »Weiter!« forderten die Zwerge. Einige tranken aus Steingefäßen das Wasser einer

Weitere Kostenlose Bücher