Das boese Blut der Donna Luna
angewinkelt, als müsste der Kopf darauf liegen. Doch da war kein Kopf. Dort, wo das inzwischen geronnene Blut aus dem Hals geströmt war, surrten die Fliegen.
Ich glaub’s nicht. Das muss Einbildung sein, die Hitze.
Sie kniff die Augen zusammen, wohl wissend, dass sich dadurch nichts ändern würde, so inständig sie es auch hoffte. Sie öffnete sie wieder, und alles war genau wie vorher: die geköpfte Frau, die Fliegen, das Blut. Sie zog das Handy aus der Gürteltasche, wählte die Nummer der Einsatzzentrale und gab ihren Standort und die Beschreibung der Leiche durch. Dann kehrte sie zu dem Jungen zurück, der am Wegrand stand und sich ein wenig beruhigt zu haben schien.
»Haben ... haben Sie gesehen?«, brachte er schließlich mit fast normaler Stimme heraus.
»Ja, habe ich. Wie heißt du? Wo wohnst du?«
»Ich heiße Gianluca Sonni und wohne in Oregina, da unten.« Er machte eine vage Handbewegung. »Hin und wieder komme ich zum Laufen her. Heute Morgen musste ich plötzlich mal ... Ich wollte hinter den Busch da gehen, damit mich von der Straße aus niemand sieht. Da hab ich sie gefunden. Normalerweise haut mich nichts so leicht um. Aber das ...«
»Du musst dich nicht entschuldigen«, unterbrach Nelly ihn mit flauem Magen. »So ein Anblick lässt auch uns von der Polizei nicht kalt, und wir sehen so einiges. Apropos, der Kopf ...« Der Junge fuhr zusammen. »Der muss schließlich irgendwo sein. Du bleibst hier, meine Kollegen sind gleich da. Ich werde mich inzwischen ein bisschen umsehen. Übrigens, als du heute Morgen hier langgelaufen bist, hast du da irgendjemanden gesehen?«, fragte Nelly und kraxelte schon wieder den Abhang hinauf. Vorsichtig, um keine Spuren zu verwischen, begann sie Gras und Gestrüpp abzusuchen. Die Leute von der Spurensicherung hatten für einen kontaminierten Tatort nichts übrig.
»Heute Morgen war hier kein Mensch. Ich hab bei der Hitze kaum schlafen können und bin sehr früh los. Sie sind die Erste, die ich sehe, bis auf ... na ja, bis auf die da. Zum Glück sind Sie gekommen, sonst würde ich noch immer schlotternd und kotzend dahocken.«
Nellys Suche hatte nichts ergeben, und sie beschloss, auf die Verstärkung zu warten.
»Hast du sie angefasst?«, fragte sie und warf einen Blick auf seine Hände.
»Gott bewahre, ich hab doch sofort gesehen, dass ... dass der Kopf ... «
Das Heulen einer Sirene näherte sich, und im nächsten Moment tauchte das Auto des Einsatzkommandos hinter der Kurve auf und hielt mit quietschenden Reifen vor dem Jungen und der Kommissarin.
»Das ging ja schnell«, sagte Nelly und trat den Kollegen entgegen. Am Steuer saß der Polizeibeamte Lombardo, der sie wegen ihres Aufzuges und des Ortes erstaunt und fragend musterte, jedoch kein Wort verlor. Ein mittelgroßer, kräftiger Mann in Zivil mit offenem, freundlichem Gesicht schwang sich sportlich und energisch aus dem Auto.
»Mensch, Nelly, die Scherereien während der Arbeit reichen dir wohl nicht, was? Machst du jetzt auch noch Überstunden?«, witzelte Vizekommissar Marco Auteri.
Normalerweise konnte Nelly über seine Scherze lachen, aber diesmal war ihr nicht danach zumute.
»Komm und sieh dir an, was sie mit der armen Frau gemacht haben«, entgegnete sie ernst. Der Vize begriff sofort, dass die Kommissarin nicht in Stimmung war und folgte ihr zum Ginstergestrüpp. Schweigend nahm er die Leiche in Augenschein. Auch ihm war das Witzeln vergangen.
»Welche Drecksau hat die so zugerichtet? Und was hat er mit dem Kopf angestellt? Eine Farbige, soviel steht fest. Der Kleidung nach zu urteilen möglicherweise eine Prostituierte. Vielleicht eine Fehde im Milieu? Ein ... Kunde von der speziellen Sorte?«, sagte er leise und mehr zu sich selbst als zu Nelly.
»Daran habe ich auch schon gedacht. Dass der Kopf fehlt, macht die Identifizierung allerdings noch schwieriger. Dieser junge Mann hier hat sie übrigens gefunden.« Nelly zeigte auf Gianluca, der ein wenig abseits stand und nervös zu ihnen herüberblinzelte.
»Na, nichts gesehen? Nichts gehört? Was hast du hier um diese Uhrzeit getrieben? Und die da ... kanntest du die?«, wandte sich Auteri brüsk an den Jungen und musterte ihn kalt.
Gianluca sah die Kommissarin hilfesuchend an.
»Ich hab ... ich hab das Gleiche gemacht wie ihre Kollegin. Ich bin gejoggt.«
»Und zum Joggen gehst du hinters Gebüsch, ja? Da geht man doch eher hin, wenn man ungestört sein will, vielleicht mit einer Frau ...«
»He, Moment mal, ich hab mit dieser
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