Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
verbergen? Die feste Überzeugung der vergangenen Nacht, Jake sei am besten zu schützen, indem man die W ahrheit vor der Polizei verbarg, hatte ihren Halt verloren. V ielleicht war es noch nicht zu spät, die Behörden zu informieren, die Sache ans Licht zu bringen und einen Teil der W ahrheit zu retten. Aber nein: die Lügen, die verscharrte Leiche… Eine solche Grenze konnte man nur einmal überschreiten und nur in eine Richtung. Er hatte seine Familie in eine abscheuliche andere W elt gezogen, in der sich alle jetzt ein neues Heim suchen mussten. Ein allumfassender Schmerz drückte ihn auf das Bett; es war, als zerschmolzen seine Knochen zu einer formlosen Masse und diese machte ihn unbeweglich.
Nur mit großer Anstrengung und unter Knacken und Knirschen konnte er aufstehen. Die Dunkelheit draußen war noch nicht ganz vergangen, aber in gewisser W eise schien die Nacht dennoch länger her zu sein als seine Kindheit.
Sophies und Taras Zimmertüren standen offen, und die Betten waren leer. Felix’ Tür war noch geschlossen. Noch immer stand die Frage, was sie mit Kerry anfangen sollten, im Raum. W as würde Felix zu ihr sagen, wenn sie aufwachten? W as würde irgendjemand heute sagen? W as war in der V erschwörung der Mütter dort unten schon gesagt worden?
Rowans leerer Magen knurrte, als der warme, nussige Duft von frischem Kaffee sich nach oben kräuselte, dass ihm das W asser im Munde zusammenlief. Erstaunt stellte er fest, dass die animalischen Reflexe von Durst und Hunger immer noch funktionierten.
Alle waren in der Küche, nur Felix und Kerry nicht. Die Kinder waren eine Erinnerung an die W elt, wie sie bis gestern gewesen war. Die Jungen hockten in einer Reihe am Tisch und aßen ihr Müsli, und Edie saß in ihrem hohen Kinderstuhl. Sie alle ahnten nichts von den nächtlichen Abenteuern der Großen. Sophie und Tara redeten immer davon, wie empfindsam Kinder für Stimmungsveränderungen bei Erwachsenen waren, aber seine Enkel demonstrierten, wie unsinnig diese Theorien waren. Es war, als bewohnten die Erwachsenen eine Stratosphäre von Schuld und Schmerz und Angst, während die Kinder unter ihnen die gleiche unschuldige Luft atmeten wie am Tag zuvor. Der Kontrast war fast unerträglich. Sophie sah aus, als brauche sie hundert Jahre Schlaf. W ill sah aus, als habe er eine Rasur und einen Drink nötig. Tara sah aus, als benötige sie eine Bluttransfusion. Jakes Gesicht war das Bild zum Stichwort » Kummer« im W örterbuch. Seine glatte Stirn wurde von einer Reihe von welligen Linien zerteilt, und sein Mund war eine spröde gerade Linie. Die Schuld war in sie alle eingedrungen und hatte sie einander fremd und doch vertrauter gemacht als jede andere Familie, mochte sie noch so eng verbunden sein, es jemals sein würde. Rowan wusste, dass die kommenden Tage, W ochen und Monate ein neues Kapitel in der Geschichte der Familie eröffnen würden. Er würde alles tun, was in seiner Macht stand, um dafür zu sorgen, dass aus dieser Katastrophe W achstum entstand, nicht V erfall. Und seine ersten W orte in dieser schönen neuen W elt?
» Guten Morgen.«
» Morgen, Grandpa«, antworteten Sophies Söhne im Chor.
Tara brachte ein mattes » Hallo« hervor.
Rowan war außerstande, seine übliche Frage zu stellen– wie gut alle geschlafen hätten. Er hatte Angst davor, denn er war plötzlich überzeugt, wenn er es täte, würde das die Tonart für den Rest der Zeit vorgeben, und eine Serie von seichten Dialogen würde an die Stelle ihrer Beziehungen treten.
» Jake hat einen Kater«, sagte Leo mit feierlichem Respekt vor diesem erwachsensten und männlichsten aller Zustände. » Wir müssen alle brav sein, wenn wir in der Nähe sind.«
Jake sah Rowan an und schüttelte kaum merklich den Kopf.
Draußen sickerte jetzt doch das Tageslicht durch die restlichen Nebelschleier.
» Zeit zum Rausgehen!«, verkündete Leo. Er erhob sich auf die Zehenspitzen und nahm den Schlüssel der Hintertür von seinem Haken. W enn Rowan gewusst hätte, dass er groß genug war, um heranzukommen, hätte er ihn versteckt. Leo hatte gerade einen Schritt nach draußen getan, als er so plötzlich bremste, dass Toby gegen seinen Rücken prallte.
» Oh, Grandpa! W as ist mit den Schützengräben passiert?«
» Die haben wir letzte Nacht zugeschüttet. Ich habe gesehen, dass sie nicht mehr sicher waren.«
Leo funkelte die Erwachsenen wütend an. » Gar nicht! Das letzte Spiel war noch nicht zu Ende. Ich hätte es gewonnen. Können wir
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