Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
hielt die Totenrede für Louis, und er legte großes Gewicht auf seine sportlichen Leistungen, sein Kricket-Talent und seine Entschlossenheit, trotz seiner Erkrankung ein erfülltes Leben zu führen. Ein V orbild sei er gewesen, ein fleißiger Schüler, ein guter Junge. In den folgenden Tagen musste ich mich um Tara kümmern wie um ein neugeborenes Kind. Es war eine alles verzehrende, erschöpfende und unablässige Arbeit. – Damals dachte ich ja, sie sei krank vor Trauer, und Übelkeit und Erschöpfung seien die Art, wie ihr Körper den gewaltsamen V erlust für sich deute. – Alles andere, Kellaway eingeschlossen, verwies ich an die Peripherie meines Bewusstseins. Natürlich blitzte gelegentlich nervöse Neugier auf, und halb rechnete ich mit einer neuerlichen Inszenierung seiner Konfrontationen auf der Schwelle unseres Hauses. Als ich erfuhr, wo er in W irklichkeit gewesen war – und warum –, wünschte ich fast, es wäre dazu gekommen.
An dem Tag, als die Owusu-Josephs zurück nach Accra flogen, stand Jon Slingsby wieder vor unserer Tür.
» Ich habe schlechte Neuigkeiten, Lydia«, sagte er. » Darcy Kellaway hat ernst zu nehmende Drohungen gegen Sie und Ihre Familie ausgestoßen. W ir mussten ihn formell vor Gericht stellen.«
Mir war schlecht und schwindlig: Ich hätte wissen sollen, dass ich nicht ewig damit davonkommen würde. Jetzt musste ich es aussitzen und bei meiner ursprünglichen Behauptung bleiben.
» Offensichtlich war es ein Irrtum«, sagte Slingsby und kam mir zuvor. Sein Gesicht war so ausdruckslos, dass ich mich schon fragte, ob er mir eine Falle stellen wollte. » Es war dunkel, und da kann es leicht zu einer V erwechslung kommen. Leider sieht Kellaway es nicht so.« Er hegte nicht den Hauch eines V erdachts. Er war noch ein Bobby von der altmodischen Sorte mit seinem Glauben an Gut und Böse, der irgendwo zwischen Naivität und V orurteil balancierte und den jahrelanger Polizeidienst noch nicht ganz zerfressen hatte. » Er hat sich in den Kopf gesetzt, Sie hätten seine Mutter umgebracht.«
Jetzt war ich fassungslos. » Ich hätte was ?«
» Seine Mutter ist am Abend seiner Festnahme verstorben, und er hat aus irgendeinem Grund entschieden, dass Sie dafür verantwortlich sind. Ich weiß, ich weiß, es ist lächerlich. Aber daher die Drohungen.«
Ich sah plötzlich vor mir, wie er nach Hause stürmte und sie in einem seiner W utanfälle umbrachte.
» Wie ist sie gestorben?«, fragte ich.
» Herzinfarkt. Kaum etwas, das Sie hätten herbeiführen können, nicht mal aus der Nähe.« Slingsby lachte, aber mir gefror das Blut in den Adern. Ich empfand eine seltsame Sekundärschuld wegen Heather Kellaway. Das Ende eines Lebens im mittleren Alter war weniger tragisch als die gewaltsame Ermordung eines Schuljungen, aber dennoch war es mir unmöglich, dem Gedanken zu entrinnen, dass ihr Herz vielleicht noch schlagen würde, wenn ihr Sohn nicht festgenommen worden wäre. Ich hatte meine Macht missbraucht und damit den Ausschlag gegeben. Jon Slingsby redete immer noch. Es fiel mir schwer, mich auf das zu konzentrieren, was er sagte.
» Hören Sie, der springende Punkt ist, dass wir ihn wegen seiner Drohungen vor Gericht bringen und eine Fernhalteverfügung erwirken, damit Sie ruhig schlafen können. Er ist ziemlich hinüber, nach allem, was ich mitbekommen habe. Sie werden sich eine ganze W eile keine Sorgen machen müssen. Und ich werde Ihnen persönlich Mitteilung machen, wenn er rauskommt, und Ihr Anwesen im Auge behalten.«
Slingsby hielt W ort und beobachtete unser Haus, als Kellaway aus W ellhouse entlassen wurde, aber nach allem, was wir wissen, hat er Saxby auf Nimmerwiedersehen verlassen. W o immer er jetzt ist, ich hoffe, er hat uns vergessen, um seinet- ebenso wie um unseretwillen.
Lydias Geheimnis zu bewahren würde Kerrys stille Buße sein– das Letzte und Beste, was sie je für Felix tun würde. Aber sie konnte und musste ihm versichern, dass das gemeinsame Geheimnis der Familie sicher war. Ein Brief, das sah sie jetzt, taugte dazu nicht. Das geschriebene W ort konnte überdauern und in falsche Hände geraten.
Sie ging zurück ins Arbeitszimmer. Felix’ Handynummer stand in der Akte, die Matt über die MacBrides geführt hatte und von der sie nichts wissen sollte. Sie unterdrückte ihre eigene Nummer und wählte, und sie war erleichtert und enttäuscht zugleich, als sich sofort die Mailbox einschaltete.
» Ich bin’s«, sagte sie. » Ach Scheiße, ich weiß nicht, was ich
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