Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
»Nichte« vor. Lilith war inzwischen fünfzehn und ebenso begierig, dem Reverend und dem ganzen Bundesstaat Georgia zu entkommen, wie er es war, ihrer ledig zu sein. Und obwohl niemand auch nur eine einzige gesicherte Tatsache über Jack Little wusste, außer dass in seinem Zungenschlag wenig von Tennessee herauszuhören war, dass er gesund war und dringend auf der Suche nach einer Braut, sah sie in ihm eine günstige Möglichkeit für ihre Flucht hinaus in die Welt.
Sie heirateten drei Wochen nachdem sie einander vorgestellt worden waren. Unmittelbar nach der Zeremonie erklärte Reverend Gaines, er habe sein Haus und seinen Besitz an Jack Little verkauft und werde zu seinem früheren Wanderleben zurückkehren und die Heilige Schrift verbreiten. Noch keine Stunde später war er mit unbekanntem Ziel verschwunden. Jack Little wies verlegen zum Haus und sagte zu seiner Braut: »Wollt dich überraschen.« Ihre feuchtäugige Sprachlosigkeit deutete er als Freude. Tatsächlich war sie betäubt von der grenzenlosen Ironie der Welt und verfluchte ihr vermeintliches Glück. Ihr Gatte lächelte über ihre augenscheinliche Glückseligkeit.
Sowie Jack Little in ihrer Hochzeitsnacht die Schlafzimmertür hinter ihnen schloss, setzte sie ihre verletzlichste Miene auf und Tränen traten ihr in die Augen, als sie ihm verriet, sie sei tief betrübt und schäme sich mehr, als er sich vorstellen könne, weil sie zwei Sommer zuvor einen Unfall gehabt habe. Sie sei ausgeglitten und rittlings auf das Dollbord eines Ruderbootes gefallen und habe ihr Jungfernhäutchen entzweit und sich und auch ihn des kostbarsten Geschenkes beraubt, das eine Braut ihrem Gatten darbringen könne. Sie weinte in ihre Hände. Er warf ihr einen schmaläugigen Blick zu, beschloss aber, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Er hatte in seinem Leben mit keinen anderen Frauen außer Huren verkehrt und musste glauben, dass sie aus feinerem Holz geschnitzt war, und weigerte sich daher, Misstrauen zu hegen. Im Bett erwiderte sie sein Drängen mit solcher Glut, dass er sich glücklich schätzte, mit einer Frau verheiratet zu sein, die so jung und ungehemmt begierig war, ihrem Mann zu Willen zu sein. Er meinte vielleicht sogar verliebt zu sein.
Er fand Arbeit in einem Holzfällerlager ein paar Meilen tief im Wald. John wurde im frühen Winter geboren, und ein Jahr später kam Edward. Im Sommer des folgenden Jahres war Lilith im sechsten Monat mit Margaret schwanger, als zwei missmutig dreinblickende, blondbärtige Brüder namens Klasson mit langen Flinten im Ort auftauchten und sich nach einem Mann namens Haywood Boggs erkundigten. Sie behaupteten, er sei ein Halunke, der vier Jahre zuvor ihren Onkel in West-Kentucky ermordet habe und jetzt angeblich hier in der Gegend lebe. Ihre Beschreibung von Boggs klang beunruhigend vertraut, und jemand wies sie schließlich zu dem Weg, der zu dem Holzfällerlager führte.
Drei Tage später lenkte Jack Little ein Gespann in den Ort, ausgestreckt auf den Wagenbrettern hinter ihm die steifen Leichen der Klassons. Eine Menge Bürger einschließlich des Konstablers versammelten sich, um sich den klaffenden dunklen Einschuss einer Gewehrkugel über dem glasigen linken Auge der einen Leiche anzusehen und den zertrümmerten und verunstalteten Kopf der anderen, der von dicken blauen Fliegen umschwärmt in eine erstarrte Lache aus Blut und Hirnmasse gebettet war. Der Vorarbeiter des Lagers war zu Pferde mitgekommen, um Jack Littles Bericht von dem, was sich zugetragen hatte, zu bestätigen. Die Klassons waren am Vortag früh im Lager erschienen, mit dem Gewehr in der Hand abgestiegen und hatten nach einem Mann namens Boggs gerufen. Als der Vorarbeiter vortrat und sagte, es gebe unter ihnen niemanden dieses Namens, erblickte einer der Klassons Jack Little, legte sein Gewehr an und schoss ein Loch in die hohe Krone von dessen Hut. Die Holzfäller stoben auseinander und suchten Deckung, als auch der andere Mann schoss und ebenfalls sein Ziel verfehlte. Jack Little eilte in den Seitenschuppen, wo er sein Gewehr geladen im Trockenen aufbewahrte, schnappte es sich und rannte wieder hinaus, legte an und erschoss den ersten Schützen, als dieser gerade das Gewehr hob, um ein weiteres Mal zu schießen. Er eilte zu dem zweiten Schützen, der beinahe fertig geladen hatte, schmetterte ihm die flache Seite seines Gewehrkolbens übers Gesicht, warf ihn nieder und trieb ihm dann die Schaftkappe ein halbes Dutzend Mal knirschend in den Schädel, um
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