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Das Böse in dir

Titel: Das Böse in dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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sagte ich.
    Black protestierte nicht. Er nahm auf dem Kapitänssitz Platz und öffnete noch eine Flasche Dixie. Weil er geschäftlich so viele Eisen im Feuer hatte, fand er nicht oft die Zeit, so wie heute einfach einen ganzen Tag mit mir auf seinem Boot herumzuhängen. Er hatte zwar ständig das Telefon am Ohr, doch ich glaube, dass er es trotzdem als Auszeit empfand.
    Ich kletterte um einige große Kalksteinfelsen herum und machte mich an den steilen Aufstieg zum Schauplatz des Selbstmordes. Inzwischen konnte ich oben Bud erkennen, der die Brücke hinunter spähte. Er war auch ziemlich schnell hier gewesen. Nun winkte er mir zu, wies auf den Toten und verschwand aus meinem Blickfeld. Wir haben in Canton County immer wieder mit Leuten zu tun, die Selbstmord begehen, indem sie von einer Brücke springen. Allerdings war es noch nie vorgekommen, dass sich jemand unten an einer aufgehängt hatte. Zumindest nicht, seit ich bei der Polizei war. Aber offenbar gibt es immer ein erstes Mal. Das hatte ich auf die harte Tour gelernt.
    Connie O’Hara, außer mir die einzige Frau unter den Kollegen, war schon vor mir hier gewesen. Sie war klein, blond, konnte unverschämt gut mit einem Gewehr umgehen und hatte einen neugeborenen kleinen Jungen namens Tucker zu Hause. Außerdem war sie eine gute Polizistin, die pflichtbewusst und nach Vorschrift arbeitete und sich von nichts aus der Ruhe bringen ließ. Ich mochte sie. Als ich mich näherte, nickte sie mir zu. »Kommt Bud auch?«
    »Er ist noch dort oben.« Wir blickten beide gut fünfzehn Meter in die Höhe. »Haben wir schon einen Namen, Connie?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es hat noch niemand die Leiche angefasst. Aber offenbar hängt er schon mindestens seit dem Mittag dort, vielleicht sogar länger. Die Leichenstarre ist voll ausgebildet. Da er sich genau dort unten aufgehängt hat, ist er vom Highway aus kaum zu sehen. Auch vom Wasser aus hat ihn niemand gemeldet, ob du es glaubst oder nicht.«
    Ich schaute die Böschung hinunter, wo Black am Ufer in seinem Cobalt saß. Er telefonierte zwar schon wieder, beobachtete mich jedoch durch sein starkes Fernglas. Ich wandte mich wieder an O’Hara. »Ein komischer Ort für einen Selbstmord, findest du nicht?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ja, irgendwie schon. Warum ist er nicht einfach gesprungen? Dann hätte er es hinter sich gehabt. Einen Sprung aus dieser Höhe überlebt man nicht, und außerdem wäre es viel schneller gegangen.«
    Wir schätzten beide die Entfernung ab, und ich fragte mich, wie es sich wohl anfühlen mochte, so tief zu fallen und dann auf eine betonharte Wasserfläche zu prallen. Nicht sehr angenehm. Wahrscheinlich würde man sich zumindest jede Menge Knochen brechen.
    »Hat jemand Buckeye Boyd verständigt?«
    »Wir wollten warten, bis du hier bist, ehe wir die Rechtsmedizin anrufen. Soll ich das jetzt erledigen?«
    »Ja, tu das. Sag ihm, wir hätten hier eine Leiche, und frag ihn, wie schnell er zur Brücke kommen kann. Hast du seine Nummer?«
    Connie nickte. »Wird gemacht.«
    Während sie die fast senkrechte Böschung hinaufkletterte, kam Bud zwischen den Felsen hindurch auf mich zu geschliddert. Er hielt sich an den Büschen fest und geriet im Geröll immer wieder ins Rutschen. Ja, er ist ein bisschen tollpatschig. Ich verzog das Gesicht und ging ein paar Meter, um den Toten besser betrachten zu können. Der Mann baumelte an einer Querstrebe aus Beton, so weit seitlich unter der Brücke, dass er mehr über dem Boden als über dem Wasser hing. Wie es aussah, schwebten seine Füße höchstens anderthalb Meter über der steilen Böschung. Vorsichtig arbeitete ich mich die gefährliche Steigung entlang voran, bis ich genau unter dem Toten stand. Das Seil um seinen Hals war an einem Betonsims über ihm befestigt. Offenbar hatte er es gut angebunden, war aufgestanden, hatte sich die Schlinge umgelegt und war in die Hölle gesprungen. Sicher hatte es ihm sofort das Genick gebrochen.
    »Was ist los, Claire? Ich habe gerade gehört, wie Connie mit Buck telefoniert.«
    Das war Bud. Er hatte mich fast erreicht, legte die letzten Meter im Laufschritt zurück und kam dicht vor mir zum Stehen. Nachdem er das Opfer gemustert hatte, stieß er einen leisen lang gezogenen Pfiff aus. »Mann, warum will jemand so enden?«
    »Wer weiß? Seine Frau hat ihn verlassen, er hat sein ganzes Geld verspielt, er war einsam. Vermutlich einer der üblichen Gründe. Du kannst es dir aussuchen. Vielleicht hat er uns ja einen Brief

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