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Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Titel: Das Böse kommt auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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rief Mr. Dark. 
    Der eine Polizeibeamte hakte den Daumen lässig hinter die Pistolentasche, blinzelte zu dem Wirrwarr von wilden Tieren und Sagengestalten empor und sagte: "Der Junge da meint..." 
    "Meint?" Der Illustrierte Mann ließ ein bellendes Lachen hören. Die Mißgeburten zuckten erschrocken zusammen und beruhigten sich wieder, als erneut die ruhige, gelassene Stimme ihres Herrn und Meisters ertönte. Er streichelte seine Monster und schien damit gleichzeitig auch die Mißgeburten zu besänftigen. "So, meint er? Aber was hat er denn gesehen? Kleine Jungen bekommen bei solchen Vorstellungen doch immer Angst, oder nicht? Sie rennen davon wie die Kaninchen, wenn ein Ungeheuer auftaucht. Auch heute abend. Ganz besonders heute abend." 
    Die Polizeibeamten sahen an ihm vorbei und betrachteten das aufrecht sitzende Wesen aus Pappmache auf dem elektrischen Stuhl. 
    "Wer ist das?" 
    "Er?" 
    Will sah in Mr. Darks verhangenen Augen ein Feuer aufblitzen, aber dann beherrschte er sich rasch wieder. 
    "Unser neuer Trick. Mr. Elektriko!" 
    "Nein! Seht euch den alten Mann an! Seht nur!" schrie Will. Die Polizisten drehten sich bei seinem Geschrei fragend um. 
    "Seht ihr denn nicht, daß er tot ist?" sagte Will. "Nur die Gurte halten ihn aufrecht!" 
    Die Krankenwärter blinzelten empor zu der großen weißen, winterlichen Flocke auf dem schwarzen Gestell. 
    Mein Gott, dachte Will, und dabei haben wir uns das alles so einfach vorgestellt! Der alte Mann, Mr. Cooger, lag im Sterben, also haben wir die Ambulanz gerufen, um ihn zu retten, damit er uns – vielleicht – verzeiht. Dann tut uns der Zirkus vielleicht nichts und läßt uns wieder laufen. Aber – was kommt nun? Er ist tot! Zu spät! Sie alle hassen uns! 
    Will stand zwischen den anderen und spürte, wie ihn ein kalter Hauch von der ausgegrabenen Mumie her anwehte, aus dem kalten Mund, aus den starren, hinter gefrorenen Lidern eingesperrten Augen. In den gefrorenen Nasenlöchern bewegte sich kein Härchen. Mr. Coogers Rippen unter dem losen Hemd rührten sich nicht, sie waren wie Stein, und seine Zähne unter den lehmfahlen Lippen waren ausgetrocknet und eiskalt. 
    Wenn man ihn um die Mittagszeit hinausstellte, dann dampfte er sicher. 
    Die Krankenwärter tauschten einen Blick. Sie nickten. 
    Die Polizisten traten daraufhin einen Schritt vor. 
    "Gentlemen!" 
    Mr. Dark hob seine Hand mit der Tarantel zu einem messingfunkelnden Schaltbrett. 
    "Mr. Elektrikos Körper wird nun gleich von hunderttausend Volt durchströmt!" 
    "Nein! Nein, das dürft ihr nicht erlauben!" schrie Will. 
    Die Polizisten machten noch einen Schritt vor. Die Krankenträger wollten etwas sagen. Mr. Dark warf Jim einen raschen fragenden Blick zu. 
    Jim schrie: "Nein! Ist schon in Ordnung!" 
    "Jim!" 
    "Doch, Will, alles ist okay."
     "Zurück!" Der spinnenbedeckte Arm näherte sich einem Schalter, die Hand legte ihn um. "Dieser Mann ist in Trance! Das gehört zu meinem neuen Trick: Ich habe ihn hypnotisiert! Er könnte Verletzungen erleiden, wenn ihr ihn aufweckt!" 
    Die Krankenwärter machten den Mund wieder zu. Die Polizisten rührten sich nicht mehr. 
    "Hunderttausend Volt! Und doch bleibt er am Leben und ist nachher ebenso gesund an Körper und Geist wie zuvor!" 
    "Nein!" 
    Ein Polizist packte Will. 
    Der Illustrierte Mann ruckte nun an dem Schalter. All die Unwesen zuckten und tanzten aufgeregt auf ihm herum. 
    Die Zeltbeleuchtung ging aus. 
    Polizisten, Krankenwärter, Jungen, sie alle überlief eine Gänsehaut. 
    Doch im plötzlich mitternächtlichen Dunkel wurde der elektrische Stuhl zu einem Feuerofen, und der alte Mann flammte wie ein bläulicher Herbstbaum. 
    Die Polizisten fuhren zurück, die Krankenwärter beugten sich vor, und die Mißgeburten taten es ebenfalls. 
    In ihren Augen spiegelte sich das blaue Feuer. 
    Der Illustrierte Man ließ die Hand nicht vom Schalter und starrte den alten, alten Mann an. 
    Ja, der alte Mann war mausetot, aber die Elektrizität zuckte über ihn hin, sie waberte um seine kalten Muschelohren und strömte ihm in die Nasenlöcher, die so tief waren wie ein ausgetrockneter Brunnen. Blaue Flammenzungen leckten um seine Klauenfinger und die mageren Heuschreckenknie. 
    Der Illustrierte Mann öffnete die Lippen und schrie vielleicht etwas, aber niemand hörte ihn vor lauter Zischen und Fauchen des elektrischen Stroms, der um den Gefangenen und den Stuhl herumkroch und

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