Das Böse kommt auf leisen Sohlen
wird wieder sterben, wenn Sie den Strom ausschalten." Will schlug sich die Hand vor den Mund.
O Herr, dachte er, was mache ich da? Ich will doch, daß er am Leben bleibt, damit er uns verzeihen kann, uns leben läßt. Aber mehr noch wünsche ich mir, daß er tot wäre, daß sie alle tot wären. Sie machen mir solche Angst, daß ich Schmetterlinge im Magen habe, so groß wie Fledermäuse.
"Tut mir leid...", flüsterte er.
"Macht nichts!" rief Mr. Dark.
Die Mißgeburten wurden unruhig und sahen einander an. Was war von der kalten Statue auf dem zischelnden Stuhl noch zu erwarten? Das einzige Auge des alten, alten Mannes verklebte sich wieder. Der Mund verfiel, eine gelbe Schlammblase in einem Schwefelbad.
Der Illustrierte Mann drückte den Schalter mit wildem Grinsen ein Stück vor. Er schob dem alten Mann ein stählernes Schwert in die behandschuhte Rechte.
Elektrizität summte im Stoppelbart der alten Wangen.
Das tiefe Auge öffnete sich so rasch wieder wie die Wunde von einem Einschuß. Hungrig suchte es nach Will, fand ihn, verschlang sein Bild. Die Lippen formten Worte.
"I... sss... ich... gesehen... Jungen... ins... Zelt... schleichen..."
Der ausgetrocknete Blasebalg füllte sich wieder. Wie aus einem feinen Nadelloch entwich in kleinen Blasen die feuchte Luft.
"Wir... üben... spielen... einennn... Trick... ich tattt... wie ein... Toterrr..."
Wieder eine Pause. Er trank Sauerstoff wie Wasser, Elektrizität wie Wein.
"... ließ... mich... fallennn... wie totttt... Jungen... schreien... rennenn... rennen..."
Der alte Mann stieß Silbe für Silbe hervor.
"Ha!" Pause. "Ha!" Pause. "Ha!"
Elektrizität säumte die pfeifenden Lippen.
Der Illustrierte Mann hüstelte leise. "Diese Vorführung ermüdet Mr. Elektriko sehr..."
"Ja, natürlich." Einer der Polizisten setzte sich in Bewegung. "Tut mir leid." Er tippte sich an die Mütze.
"Prima Vorstellung."
"Wirklich prima", sagte einer der Krankenträger.
Will sah sich rasch um, weil er wissen wollte, was der Mann für ein Gesicht dabei machte, doch Jim stand ihm im Wege.
"Hier, Jungens! Ein Dutzend Freikarten!" Mr. Dark hielt sie ihnen hin. "Da!"
"Na?" fragte einer der Polizisten.
Zögernd griff Will nach den flammenfarbenen Karten, hielt aber inne, als Mr. Dark fragte: "Wie heißt ihr denn?"
Die Beamten blinzelten einander zu.
"Sagt es ihm, Jungens."
Schweigen. Die Mißgeburten warteten gespannt.
"Simon", sagte Jim. "Simon Smith."
Mr. Darks Hand mit den Freikarten krümmte sich.
"Oliver", sagte Will. "Oliver Brown."
Der Illustrierte Mann holte tief Luft. Auch die Mißgeburten holten tief Luft. Das Luftholen schien Mr. Elektriko zu stören. Sein Schwert zuckte. Von seiner Spitze sprangen Funken auf Wills Schulter über, dann wurde Jim mit blauen Flammen übergossen. Blitze schossen zwischen ihnen hin und her.
Die Polizisten lachten.
Das weitoffene Augen des alten Mannes funkelte.
"Ich schlage... euch... Esel und... Trottel... ich schlage... euch... zum bleichen... Ritterrrr..."
Mr. Elektriko war am Ende. Das Schwert berührte sie.
"Ein kurzes... trauriges... Leben... euch... beiden..."
Dann klappte sein Mund zu, das eine Auge schloß sich.
Er hielt den kellertiefen Atem an und ließ die Fünkchen sein Blut durchschwärmen wie Bläschen den Champagner.
"Die Freikarten", murmelte Mr. Dark. "Alles umsonst.
Kommt, wann ihr wollt. Kommt wieder. Kommt wieder."
Jim und Will griffen nach den Karten. Dann rannten sie beide aus dem Zelt. Die Polizisten winkten nach allen Seiten und folgten ihnen gemächlich.
Hinter ihnen kamen wie Geister die Krankenträger. Sie lächelten nicht. Sie fanden die beiden Jungen eng aneinandergedrückt im Polizeiwagen.
Sie sahen aus, als wollten sie auf dem schnellsten Wege nach Hause.
II Verfolgungen
Fünfundzwanzigstes Kapitel
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Sie fühlte, wie die Spiegel in allen Zimmern auf sie warteten, genau wie man, ohne die Augen zu öffnen, spürt, daß draußen der erste Schnee des Winters gefallen ist.
Vor einigen Jahren hatte Miss Foley zum ersten Mal bemerkt, daß ihr Haus voll war von hellen Schatten ihrer selbst. Da war es am besten, die kalten Scheiben Dezembereis im Flur, über dem Toilettentisch, im Bad einfach zu ignorieren. Über dünnes Eis gleitet man am besten leicht dahin. Wenn man innehält, kann man mit seinem Gewicht, mit seiner Aufmerksamkeit die
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