Das Bourne-Attentat
möchte dir eine Frage stellen, aber ich weiß nicht, ob ich das Recht dazu habe.«
Sein Lächeln verschwand, als er ihren ernsten Gesichtsausdruck sah. »Natürlich kannst du fragen, Moira. Worum geht’s?«
Sie holte tief Luft und atmete aus. »Jason, ich weiß, du hast gesagt, dass du sehr zufrieden an der Universität bist, und wenn das so ist, dann ist es in Ordnung. Aber ich weiß auch, dass du dir Vorwürfe machst, weil du Martin nicht retten konntest. Du musst aber verstehen – wenn du ihn nicht retten konntest, dann hätte es keiner gekonnt. Du hast dein Bestes getan; er wusste das auch, da bin ich mir sicher. Und jetzt frage ich mich einfach, ob du vielleicht denkst, dass du ihn im Stich gelassen hast – und dass du allein deshalb nicht mehr Jason Bourne sein kannst. Hast du dich schon einmal gefragt, ob du das Angebot von Professor Specter vielleicht nur deshalb angenommen hast, weil du dich von Jason Bournes Leben abwenden willst?«
»Natürlich habe ich mich das auch gefragt.« Nach Martins Tod hatte er tatsächlich wieder einmal beschlossen, Jason Bourne hinter sich zu lassen und wegzukommen von den Kämpfen, von all den Toten. Die Erinnerungen lagen immer auf der Lauer; die traurigen waren allgegenwärtig, doch da gab es noch andere, die stets verschwammen, wenn er sich ihnen näherte. Und was zurückblieb, waren die Gebeine all derer, die er getötet hatte oder die gestorben waren, weil er der war, der er war. Doch er wusste, dass die Bourne-Identität nie sterben würde, solange er atmete.
Er hatte einen gequälten Ausdruck in den Augen. »Du musst verstehen, wie schwer es ist, zwei Persönlichkeiten zu haben, die ständig miteinander kämpfen. Ich wünsche mir so sehr, ich könnte einen der beiden aus mir herausschneiden.«
»Und welcher wäre das?«, fragte Moira.
»Das ist das Schlimme daran«, antwortete Bourne. »Jedes Mal, wenn ich glaube es zu wissen, merke ich, dass ich es nicht weiß.«
Kapitel zwei
Luther LaValle war genauso telegen wie der Präsident und fast zwanzig Jahre jünger. Er hatte strohblondes Haar, das er glatt zurückgekämmt trug, wie die Filmstars aus den Dreißiger oder Vierzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. General Kendall hingegen war ein Mann mit markantem Kinn und Knopfaugen, der typische steife Offizier. Er war von ausgesprochen bulliger Statur; vielleicht war er einst als Fullback im Universitäts-Footballteam aktiv. Er wirkte jedenfalls neben LaValle wie ein Fullback, der auf ein Kommando seines Quarterbacks wartete.
»Luther«, sagte der Präsident, »nachdem Sie dieses Treffen unbedingt wollten, halte ich es für angebracht, dass Sie anfangen.«
LaValle nickte, als bestünde nicht der geringste Zweifel daran, dass der Präsident letztlich seinen Vorschlägen folgen würde. »Nach dem jüngsten Desaster in der CI, als sie bis in die höchsten Etagen unterwandert wurde, müssen strengere Sicherheitsmaßnahmen installiert werden. Und das kann nur das Pentagon machen.«
Veronica sah sich gezwungen, zu widersprechen, um zu verhindern, dass LaValle einen zu großen Vorsprung bekam. »Ich bin da anderer Ansicht, Sir«, warf sie, zum Präsidenten gewandt, ein. »Die Informationsbeschaffung durch Agenten war immer eine Domäne der CI. Unsere Netzwerke sind unerreicht, genauso wie unsere unzähligen Kontakte, die wir über die Jahrzehnte aufgebaut haben. Die Stärke des Pentagons wiederum war immer die elektronische Überwachung. Das sind zwei ganz verschiedene Gebiete, die völlig unterschiedliche Methoden und Strategien verlangen.«
LaValle lächelte gewinnend, so wie er es machte, wenn er in einer Nachrichtensendung oder einer Talkshow auftrat. »Es wäre fahrlässig, wenn ich nicht darauf hinweisen würde, dass sich die Geheimdienstlandschaft seit 2001 radikal verändert hat. Wir stehen im Krieg. Meiner Ansicht nach ist ein Ende dieses Zustands nicht absehbar, und darum hat das Pentagon seine Aktivitäten ausgedehnt und mehrere Teams von verdeckt operierenden DIA-Leuten und Sondereinsatzkräften zusammengestellt, die erfolgreich Spionageabwehroperationen im Irak und in Afghanistan durchführen.«
»Bei allem Respekt, Mr. LaValle und seine Militärmaschinerie sind offensichtlich darauf bedacht, jede sich bietende Lücke auszufüllen oder, wenn nötig, selbst welche zu schaffen. Mr. LaValle und General Kendall wollen uns glauben machen, dass wir uns in einem immerwährenden Kriegszustand befinden, egal, ob das den Tatsachen entspricht oder nicht.«
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