Das Bourne-Attentat
Schiffsuhr auf dem Kaminsims verkündete mit ihrem Glockenschlag die Wachablösung.
»Ein ganz schöner Palast für einen Universitätsprofessor.«
»Der Professor hatte reiche Eltern«, log Bourne. »Aber er hängt das nicht an die große Glocke.«
»Meine Lippen sind versiegelt«, sagte Moira. »Übrigens – wohin schickt er dich denn?«
»Nach Moskau. Irgendwelche Freunde von ihm haben Ärger bekommen.«
»Die Russenmafia?«
»Etwas in dieser Art.«
Es war am besten, wenn sie diese einfache Erklärung glaubte, dachte Bourne. Er betrachtete ihr Gesicht im Licht der Lampe. Er hatte schon einiges erlebt, was Doppelzüngigkeit betraf, doch es schmerzte ihn trotzdem, sich vorzustellen, dass Moira ihn nur benutzen könnte, so wie sie Martin angeblich benutzt hatte. Mehrmals hatte er an diesem Tag schon mit dem Gedanken gespielt, sich das Treffen mit der neuen CI-Direktorin zu schenken, doch er musste sich eingestehen, dass es ihm wichtig geworden war, die Gespräche zwischen ihr und Martin zu sehen. Wenn er das vorliegende Material mit eigenen Augen sah, würde er wissen, wie es mit ihm und Moira weiterging. Er war es Martin schuldig, die Wahrheit über seine Beziehung zu ihr herauszufinden. Außerdem hatte es keinen Sinn, sich selbst zu belügen: Er hatte auch ein persönliches Interesse an der Situation. Seine Gefühle für sie machten die Sache für alle Beteiligten komplizierter, nicht zuletzt für ihn selbst. Warum hatte jede Freude im Leben ihren Preis?, fragte er sich mit einer gewissen Bitterkeit. Aber er hatte seine Entschlüsse gefasst, und es gab kein Zurück mehr – weder von seiner Reise nach Moskau noch von seiner Absicht, die Wahrheit über Moira herauszufinden.
Moira trat näher zu ihm und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Jason, was ist los? Du siehst so besorgt aus.«
Bourne versuchte, nicht zu zeigen, dass er erschrocken war; so wie Marie hatte sie die unheimliche Gabe, zu spüren, was in ihm vorging. Bei allen anderen gelang es ihm stets, einen neutralen Gesichtsausdruck zu zeigen. Trotzdem war es wichtig, dass er sie jetzt nicht belog; das würde sie augenblicklich spüren.
»Die Mission ist sehr heikel. Professor Specter hat mich schon gewarnt, dass ich mitten in eine Blutfehde zwischen zwei verfeindeten Moskauer Mafia-Clans geraten könnte.«
Ihr Griff um seinen Arm verstärkte sich kurz. »Deine Loyalität gegenüber dem Professor ist bewundernswert. Das hat übrigens auch Martin sehr an dir geschätzt.« Sie sah auf ihre Uhr. »Ich muss jetzt los.«
Sie hob ihr Gesicht zu ihm empor, und sie küssten sich lang und innig.
Sie lachte leise. »Lieber Jason, keine Sorge. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die fragen: ›Wann sehe ich dich wieder?‹.«
Dann drehte sie sich um, schritt durch die Eingangshalle und zur Tür hinaus. Wenige Augenblicke später hörte Bourne das Brummen eines startenden Automotors und das Knirschen von Reifen auf dem Kies, als der Wagen zur Straße hinunterrollte.
Als Arkadin erwachte, fühlte er sich steif und schmutzig. Sein Hemd war nass vom Schweiß seines Albtraums. Er dehnte seinen Hals, indem er den Kopfkreisen ließ, und dachte sich, dass ein ausgiebiges heißes Bad jetzt das wäre, was er am dringendsten bräuchte – doch das Hotel hatte nur eine Dusche im Gang.
Er drehte sich auf die Seite und stellte fest, dass er allein im Zimmer war; Devra war weg. Er setzte sich auf, schwang sich aus dem feuchten zerwühlten Bett und rieb sich das Gesicht mit den Handballen. Da war immer noch ein pochender Schmerz in seiner linken Schulter; sie war geschwollen und fühlte sich heiß an.
Er wollte hinausgehen und streckte die Hand nach dem Türgriff aus, als die Tür aufging. Devra stand vor ihm, eine Papiertüte in einer Hand.
»Hast du mich vermisst?«, fragte sie mit einem spöttischen Lächeln. »Ich sehe es dir am Gesicht an. Du hast gedacht, ich wäre abgehauen.«
Sie kam herein und trat die Tür mit dem Fuß zu. Ihre Augen trafen die seinen. Sie hob die freie Hand und drückte seine linke Schulter sanft, aber fest genug, dass es wehtat.
»Ich habe uns Kaffee und frische Brötchen geholt«, sagte sie. »Du brauchst also nicht grob zu werden.«
Arkadin sah sie finster an. Der Schmerz, den sie ihm zufugte, machte ihm nichts aus – sehr wohl aber ihre aufsässige Haltung. Er hatte Recht gehabt; es gab bestimmt noch einiges, was sie vor ihm verbarg. Man durfte sie jedenfalls nicht unterschätzen.
Er entspannte sich, und sie ließ ihn los.
»Ich
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