Das Bourne Duell
Estanzia. Sie war im spanischen Kolonialstil errichtet, mit weißen Wänden, geschnitzten Fensterläden, schmiedeeisernen Gittern und geschwungenen Terrakotta-Dachziegeln. Eine Frau in Dienstmädchenuniform öffnete Moira die Tür und führte sie, nachdem sie sich vorgestellt hatte, über den Terrazzoboden der Eingangshalle und durch ein großes kühles Wohnzimmer auf eine mit Steinplatten ausgelegte Terrasse hinaus, mit Blick auf einen Tennissandplatz, einen Garten und einen Swimmingpool, in dem eine Frau – vermutlich Berengária Moreno – ihre Runden drehte. Dahinter erstreckten sich ausgedehnte Agavenfelder.
Ein intensiver Rosenduft strömte Moira entgegen,
als sie zu einem Mann geführt wurde, der an einem schmiedeeisernen Tisch mit Glasplatte saß. Der Tisch war mit Tontellern voller Köstlichkeiten und Krügen mit roter und weißer Sangria beladen.
Der Mann erhob sich mit einem breiten Lächeln, als er sie kommen sah. Er trug ein T-Shirt und eine Surferbadehose an seinem schlanken behaarten Körper.
»Barbara!«, rief er über die Schulter zurück. »Unser Gast ist da!«
Dann schüttelte er Moira die Hand. »Guten Tag, Señorita Trevor. Narsico Skydel. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Ganz meinerseits«, sagte Moira.
»Bitte.« Er zeigte auf einen Stuhl. »Fühlen Sie sich wie zu Hause.«
»Danke.« Moira setzte sich zu ihm an den Tisch.
»Weiß oder rot?«
»Weiß, bitte.«
Er schenkte weiße Sangria in zwei Gläser ein, reichte ihr eines und setzte sich wieder. »Sie müssen Hunger haben nach der langen Reise.« Er zeigte auf die vollen Teller. »Bitte, bedienen Sie sich.«
Als sie ihren Teller gefüllt hatte, war Berengária Moreno, die man hier als Barbara Skydel kannte, bereits aus dem Wasser gestiegen. Sie trocknete sich ab und kam zur Terrasse herauf. Sie war eine groß gewachsene schlanke Frau mit einem hübschen Gesicht und einem Pferdeschwanz. Moira stellte sie sich zusammen mit Roberto Corellos vor, mit dem sie ihren Ehemann betrog. Barbara trat barfuß auf die Terrasse und kam auf sie zu. Ihr Händedruck war kühl, fest und nüchtern.
»Narsicos Mediensprecher sagt, dass Sie eine Geschichte über den Tequila schreiben, ist das richtig?« Ihre Stimme war tief für eine Frau, und sie hatte einen vollen Klang, so als hätte sie schon in jungen Jahren singen gelernt.
»Das stimmt.« Moira nahm einen Schluck von ihrer Sangria.
Narsico begann sogleich mit seinem Vortrag und erklärte ihr, dass Tequila aus dem Herz der Agave, der Piña, hergestellt wurde.
Barbara ließ ihn nicht ausreden. »Was für eine Geschichte ist denn das genau, an der Sie arbeiten?«, fragte sie und setzte sich auf die andere Seite des Tisches, sodass sie ihr und ihrem Mann gegenübersaß, was für Moira einiges aussagte. Es wäre das Natürlichste gewesen, sich zu ihrem Mann zu setzen.
»Es ist eigentlich eine soziologische Arbeit. Die Ursprünge des Tequilas, seine Bedeutung für die Mexikaner, in dieser Richtung.«
»Ach so«, sagte Barbara. »Nun, dann muss man zuerst einmal sagen, dass Tequila überhaupt kein mexikanisches Getränk ist.«
»Aber die Mexikaner müssen die Agave gekannt haben.«
»Natürlich.« Barbara Skydel nahm sich einen Teller und füllte ihn mit verschiedenen Speisen. »Über Jahrhunderte wurde die Piña zu Sirup verkocht. Dann kamen die Spanier – in diesem fruchtbaren Tal siedelten sich spanische Franziskaner an und gründeten die Stadt Santiago de Tequila, im Jahr 1530. Es waren die Franziskaner, die damit anfingen, aus der Pflanze einen hochprozentigen Agavenbrand zu machen.«
»Dann war die Agave also ein Teil der mexikanischen Kultur, den sich die Konquistadoren angeeignet und verändert haben«, meinte Moira.
»Also, eigentlich ist es noch schlimmer«, sagte Barbara und leckte sich die Fingerspitzen ab, was Moira an Roberto Corellos erinnerte. »Die Konquistadoren haben die Mexikaner einfach umgebracht. Und die Franziskaner, die mit ihnen kamen, zerstörten die mexikanische Lebensweise und ersetzten sie durch die besonders grausame spanische Form des Katholizismus. Man kann ruhig sagen, dass es die spanische Kirche war, die die mexikanische Kultur zerstört hat.« Sie lächelte und zeigte ihre Zähne. »Die Konquistadoren waren einfach nur Soldaten, die es auf das mexikanische Gold abgesehen hatten. Die Franziskaner waren die Soldaten Gottes, sie wollten die mexikanische Seele.«
Als Barbara sich blutrote Sangria in einen Kelch einschenkte, räusperte sich Narsico.
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