Das Bourne Duell
Imow hatte ihm alles gegeben, worum er gebeten hatte, einschließlich der Zusicherung, die Sache vorläufig geheim zu halten, bis er alle Maulwürfe im FSB-2 aufgestöbert hatte. Anfangen musste er bei Bukin. Er wusste, dass er ihn knacken konnte. Und wenn das geschafft war, dann würden alle anderen Maulwürfe schnell ans Licht kommen.
Es schneite leicht, die kleinen Schneeflocken tanzten im Wind. Die goldenen und gestreiften Zwiebeltürme funkelten im Licht, und Touristen fotografierten einander vor den kunstvollen Bauten. Er nahm sich einen Augenblick, um die friedliche Szene zu genießen, was einem in Moskau in diesen Tagen nicht so oft vergönnt war.
Schließlich ging er zu seiner Limousine zurück. Als ihn sein Fahrer sah, ließ er den Motor an. Er stieg aus und öffnete seinem Chef die Wagentür. Eine groß gewachsene Blondine im Fuchspelzmantel und kniehohen Stiefeln schritt vorbei. Der Fahrer sah ihr nach, während
Karpow sich bückte und einstieg. Die Tür wurde hinter ihm zugeschlagen.
»Zentrale«, sagte er, als der Fahrer wieder hinter dem Lenkrad saß. Der Mann nickte wortlos, legte den Gang ein und fuhr los.
Die Fahrt vom Kreml zur Zentrale des FSB-2 in der Ulitsa Znamenka dauerte etwa elf Minuten, je nach Verkehr, der um diese Tageszeit nicht ganz so schlimm war. Karpow war tief in Gedanken versunken. Er überlegte sich einen Weg, wie er mit Bukin allein sprechen und ihn von seinen Kontakten abschneiden konnte. Er beschloss, ihn zum Essen einzuladen. Unterwegs würde er seinen Fahrer anweisen, zu der riesigen Baustelle in der Ulitsa Varvarka zu fahren, einem Gebiet, in dem es keinen Handy-Empfang gab, sodass er und Bukin seinen Verrat ungestört »diskutieren« konnten.
Der Fahrer hielt an einer roten Ampel an, doch als sie auf Grün umsprang, fuhr er nicht los. Jetzt erst sah Karpow durch das getönte Fenster die Mercedes-Limousine neben ihnen. Die hintere Tür des Wagens ging auf, und eine Gestalt stieg aus. Es war zu dunkel, um erkennen zu können, wer es war, doch im nächsten Augenblick wurde seine Autotür aufgerissen – was seltsam war, weil sein Fahrer normalerweise die Türen verriegelte –, und die Gestalt setzte sich neben ihn auf die Rückbank.
»Boris Iljitsch, freut mich wie immer, Sie zu sehen«, sagte Viktor Tscherkesow.
Er hatte ein Lächeln wie eine Hyäne, und er roch auch so, wie Karpow feststellte.
Tscherkesow, der mit seinen gelben Augen tatsächlich wie ein hungriges Raubtier aussah, beugte sich vor,
um mit dem Fahrer zu sprechen. »Wir fahren in die Ulitsa Varvarka. Zur Baustelle.« Dann lehnte er sich zurück, und sein widerwärtiges Lächeln funkelte im Halbdunkel der Limousine. »Wir wollen ja ungestört sein, nicht wahr, Boris Iljitsch.«
Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Mandy und Michelle schliefen ineinander verschlungen, wie sie nach einer langen Nacht voller Erotik immer schliefen. Bud Halliday und Jalal Essai hingegen hatten sich ins Wohnzimmer der Wohnung zurückgezogen, die ihnen beiden gehörte – unter einem Pseudonym, das niemals zu ihnen zurückverfolgt werden konnte.
Aus reiner Höflichkeit schlürfte Halliday ein Glas süßen Minztee, während er Essai gegenübersaß.
»Was ich dir schon die ganze Zeit sagen wollte«, begann Halliday in beiläufigem Ton, »Oliver Liss ist festgenommen worden.«
Essai richtete sich auf. »Was? Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?«
Halliday zeigte auf das Schlafzimmer, wo die Zwillinge tief und fest schliefen.
»Aber … was ist passiert? Ich dachte, er wäre vor jeder Verfolgung sicher.«
»In diesen Tagen ist niemand mehr sicher.« Halliday suchte nach dem Humidor. »Ganz plötzlich hat das Justizministerium begonnen, seine Rolle bei Black River noch einmal zu durchleuchten.« Er hob abrupt den Kopf und sah Essai mit einem durchdringenden Blick an. »Könnte es sein, dass die Ermittlungen irgendwie zu dir führen?«
»Ich bin völlig isoliert«, antwortete Jalal Essai. »Darauf habe ich von Anfang an geachtet.«
»Okay, dann scheiß auf Liss. Wir gehen weiter.«
Jalal Essai sah ihn verdutzt an. »Es überrascht dich gar nicht?«
»Ich glaube, Oliver Liss bewegt sich schon seit einiger Zeit auf sehr dünnem Eis.«
»Ich brauche ihn«, wandte Jalal Essai ein.
»Falsch: Du hast ihn gebraucht. Ich habe gesagt, wir gehen weiter, und das meine ich auch so.«
Halliday fand den in Leder gehüllten Humidor und nahm sich eine Zigarre heraus. Er bot Essai ebenfalls eine an, doch der
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