Das Bourne Duell
draufschlagen.«
»Wenn Sie mich ein bisschen besser kennen, werden Sie sehen, dass das nicht meine Art ist.«
»Sie sind ein bisschen zu optimistisch«, entgegnete Moira.
Er nickte. »Das mag sein.« Er ging zur Tür zurück und hob eine Hand. »Wenn Sie mich begleiten würden …« Sie machte keine Anstalten, ihm zu folgen, und so fügte er hinzu: »Ich bitte Sie um diesen einen Gefallen. Es kostet Sie nur fünfzehn Minuten Ihrer Zeit, und was haben Sie denn schon zu verpassen?«
Moira fiel nichts ein, absolut nichts, und so ging sie mit ihm hinaus.
Chaaya wohnte in einem Penthouse in einem kleinen Hochhausviertel von Bangalore, einer geschlossenen Wohnanlage, die Tag und Nacht bewacht wurde. Es war natürlich eine Frage der Perspektive, dachte Arkadin, ob die Sicherheitsmaßnahmen die Gefahren der Stadt aussperrten oder die Bewohner in ihrer Festung einsperrten.
Chaaya öffnete mit verschlafenen Augen die Tür, als er klopfte. Sie machte ihm immer auf, egal zu welcher Tageszeit er auftauchte. Es blieb ihr auch kaum etwas anderes übrig. Sie kam aus einer reichen Familie und lebte hier im Luxus, doch das alles würde sich in Luft auflösen, wenn ihr Geheimnis herauskäme. Sie war eine Hindu, und der Mann, den sie liebte, war Muslim, eine
Todsünde in den Augen ihres Vaters und ihrer drei Brüder, wenn sie je davon erfahren hätten. Arkadin hatte ihren Geliebten nie gesehen, doch er hatte dafür gesorgt, dass ihr Geheimnis gewahrt blieb; Chaaya verdankte ihm alles und verhielt sich dementsprechend.
Sie trug einen durchscheinenden Morgenmantel über ihrer üppigen Figur, als sie ihn mit der sinnlichen Anmut einer Bollywood-Schauspielerin in die Wohnung führte. Durch ihre aufrechte Haltung wirkte sie größer, als sie war. Wenn sie irgendwo hereinkam, drehten sich die Leute nach ihr um, sowohl Männer als auch Frauen. Ob sie Arkadin mochte oder was sie von ihm hielt, war ihm ziemlich egal. Sie hatte Angst vor ihm, und das war alles, was für ihn zählte.
Es war heller hier oben über den Dächern, was den falschen Eindruck vermittelte, dass es schon Tag war. Aber diese Wohnung, die irgendwie ihrer beider Leben widerspiegelte, war voller falscher Eindrücke.
Sie sah das Blut an seinem Bein und führte ihn in ihr geräumiges Badezimmer mit seinen vielen Spiegeln und dem kostbaren Marmor. Während er seine Hose auszog, drehte sie das heiße Wasser auf. Sie kümmerte sich vorsichtig, aber mit sicherer Hand um seine Wunde, und er fragte sie, ob sie das schon einmal gemacht habe.
»Früher einmal, aber das ist lange her«, antwortete sie rätselhaft.
Das war der Grund, warum er hierhergekommen war, in diesem Augenblick, wo es so wichtig war, jemanden zu haben, dem man trauen konnte. Er und Chaaya erkannten etwas im anderen, etwas von sich selbst, etwas Dunkles und Zerrissenes. Sie waren beide Außenseiter, die sich nicht wirklich zu Hause fühlten in der Welt, in
der die meisten anderen lebten. Sie hielten sich lieber am Rand auf, in den Schattenbereichen verborgen, die den anderen Angst machten. Diese eine Tatsache war es, was sie zu Gleichgesinnten machte.
Während sie ihn wusch und dann seine Wunde neu nähte, überlegte er, wie er weiter vorgehen sollte. Er musste aus Indien weg, daran bestand kein Zweifel. Wohin würde dieser Scheißkerl Oserow denken, dass er gehen würde? Nach Campione d’Italia in der Schweiz, wo die Östliche Bruderschaft eine Villa besaß, oder vielleicht in die Zentrale in München. Die Liste von Oserows Möglichkeiten war aber beschränkt; selbst Maslow konnte seine Killertrupps nicht auf einen bloßen Verdacht hin in die ganze Welt schicken. Es war noch nie seine Art gewesen, Leute oder Ressourcen zu vergeuden – mit ein Grund, warum er immer noch an der Spitze der mächtigsten russischen Mafiaorganisation stand, obwohl der Kreml immer rigoroser gegen das organisierte Verbrechen vorging.
Arkadin wusste, dass er sich an einen Ort zurückziehen musste, der absolut sicher war. Einen Ort, an den weder Oserow noch Maslow auch nur denken würden. Und er durfte es niemandem in seiner Organisation sagen – zumindest nicht, solange er nicht wusste, von wem Oserow erfahren hatte, dass er sein Hauptquartier vorübergehend hier in Bangalore aufgeschlagen hatte.
Er musste also einen Weg finden, wie er die Stadt und das Land verlassen konnte. Aber zuerst musste er Gustavo Morenos Laptop aus seinem Versteck holen.
Als Chaaya fertig war, gingen sie ins Wohnzimmer hinüber. »Bitte,
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