Das Bourne Duell
nichts zu hören als das Klicken der Chips und die schnellen Geräusche von Spielkarten, die gemischt und an die vier Männer ausgeteilt wurden, die um den Tisch saßen.
Außer Burrows erkannte Soraya zwei Senatoren, einen jüngeren und einen älteren, einen einflussreichen Lobbyisten und – ihre Augen öffneten sich weit – war das nicht …?
»Peter?«, sagte sie ungläubig.
Peter Marks blickte von seinen Chips auf. »Du meine Güte. Soraya.« Er stand sofort auf. »Ich bin raus«, sagte er, ging um den grünen Filztisch herum und umarmte sie. »Delia, möchtest du für mich einspringen?«, fragte er.
»Aber gern.« Sie wandte sich ihrer Freundin zu. »Peter ist Stammgast hier, und ich hab ihn vom Büro angerufen. Ich dachte mir, es täte dir vielleicht ganz gut, einen alten Kumpel zu treffen.«
Soraya lächelte und küsste Delia auf die Wange. »Danke.«
Delia nickte und ließ sie allein. Sie setzte sich an den Spieltisch, nahm ihren üblichen Stapel Chips aus der Bank und unterschrieb einen Schuldschein über den Betrag.
»Wie geht’s dir?«, fragte Marks.
»Was glaubst du denn, wie’s mir geht?«, erwiderte sie bitter.
»Ich hab von meinen Kumpels in der CI gehört, was Danziger mit dir gemacht hat.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht behaupten, dass es mich überrascht.«
»Wie meinst du das?«
Marks führte sie über den Flur in einen ruhigen Winkel des leeren Wohnzimmers, wo sie völlig ungestört waren. Durch die Verandatür sah man auf eine schattige Allee hinaus. Die Wände waren in einem warmen orangeroten Farbton gehalten und mit Fotos von Reese Williams geschmückt, auf denen sie mitten unter den Angehörigen eines afrikanischen Stammes zu sehen war. Einige Bilder zeigten sie zusammen mit einem älteren Mann, vielleicht ihrem Vater. Um den Kamin standen bequeme Lehnstühle und Sofas. Ein niedriger blank polierter Holztisch und ein Sideboard, auf dem zwei Tabletts mit allerlei alkoholischen Getränken und Kristallgläsern standen, vervollständigten das gediegene Bild. Dieses prächtige Haus konnte man sich kaum mit einem normalen Gehalt im öffentlichen Dienst leisten. Reese schien aus überaus wohlhabenden Verhältnissen zu stammen.
Sie setzten sich auf ein bequemes Sofa, einander halb zugewandt.
»Danziger sucht ständig nach Vorwänden, um die ganze Führungsriege der CI auszuwechseln«, meinte Marks. »Er will seine Leute – das heißt, Secretary Hallidays Leute – in den wichtigen Positionen haben, aber er weiß auch, dass er vorsichtig vorgehen muss, damit es nicht so aussieht, als würde er die alte Garde in einem Handstreich rausschmeißen, auch wenn genau das sein Plan ist. Darum bin ich ausgestiegen, als ich hörte, dass er kommt.«
»Ich war in Kairo, ich habe nicht gewusst, dass du weggegangen bist. Wo bist du denn gelandet?«
»In der Privatwirtschaft.« Marks zögerte einen Augenblick. »Hör zu, Soraya, ich weiß, du kannst ein Geheimnis
für dich behalten, darum verrate ich dir jetzt etwas.« Er blickte zur Tür zurück, obwohl er sie geschlossen hatte.
»Und?«
Marks beugte sich näher zu ihr. »Ich bin zu Treadstone gegangen.«
Einen Moment lang war nichts als schockierte Stille im Raum, und das Tick-Tack der alten Schiffsuhr auf dem marmornen Kaminsims. Schließlich lachte Soraya kurz auf. »Also, Treadstone ist doch längst tot und begraben.«
»Das alte Treadstone, ja«, sagte er. »Aber Frederick Willard hat einen Neuanfang gestartet.«
Willards Name verscheuchte das Lächeln aus Sorayas Gesicht. Sie wusste, dass die CI Willard als Schläfer in die NSA eingeschleust hatte und dass er die kriminellen Verhörmethoden des früheren NSA-Direktors ans Licht gebracht hatte. So gesehen klang das, was Peter Marks sagte, durchaus plausibel.
Sie schüttelte beunruhigt den Kopf. »Ich verstehe das nicht. Treadstone hat sich über alle Regeln hinweggesetzt, sogar die der CI. Das Programm wurde aus guten Gründen beendet. Wie kannst du bei einer solchen Sache mitmachen?«
»Ganz einfach. Willard hasst Halliday genauso wie ich – und wie du. Er hat mir versprochen, dass er Treadstone dafür einsetzen wird, Halliday politisch unschädlich zu machen. Darum möchte ich gern, dass du auch dabei bist.«
Sie war schockiert. »Was? Ich soll bei Treadstone mitmachen?« Als er nickte, kniff sie argwöhnisch die Augen zusammen. »Moment mal. Du hast gewusst,
dass er mich feuert, sobald ich in die Zentrale zurückkomme.«
»Das hat jeder gewusst, Soraya, außer
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