Das Bourne Duell
des Personals hinter seinem Rücken. Da fiel sein Blick auf ein Gesicht, das er schon einmal gesehen hatte – heute Vormittag in dem Geschäft in der Tavistock Street. Das Gesicht hatte absolut nichts Auffälliges an sich; nur jemand von Bournes Erfahrung und Fähigkeiten konnte erkennen, wie aufmerksam und systematisch diese Augen die große Lobby erkundeten. Der Mann schätzte mögliche Wege zu ihm ein, die Entfernungen zu den Ausgängen, die Positionen der Sicherheitsleute und dergleichen mehr.
Wenige Augenblicke später kam die Dickens-Figur zurück, mit unverändertem Gesicht, das so verschlossen wirkte wie ein Banksafe.
»Hier entlang, Sir«, sagte der Mann mit seiner gurgelnden Stimme. Er öffnete eine Tür im Schaltertisch, und Bourne trat ein. Der Angestellte führte ihn zwischen den Reihen der blank polierten Schreibtische hindurch, an denen Männer und Frauen in dunklen konservativen
Anzügen saßen. Manche telefonierten, andere sprachen mit Kunden, die auf der anderen Seite des Schreibtisches saßen. Keiner von ihnen blickte auf, als der blasse Angestellte und Bourne vorbeigingen.
Am Ende der Tischreihen drückte die Dickens-Figur auf einen Knopf neben einer Glastür, die nur das Licht von drinnen durchließ, sonst nichts. Ein Summer wurde betätigt, die Tür schwang auf, und der Angestellte trat zur Seite.
»Geradeaus, dann links. Das Büro an der Ecke.« Und mit einem verschlagenen leisen Lächeln fügte er hinzu: »Mr. Herrera wird sich um Ihr Anliegen kümmern.« Er sprach sogar wie eine Dickens-Figur.
Mit einem kurzen Nicken ging Bourne zu dem Büro an der Ecke, dessen Tür geschlossen war. Er klopfte an, hörte das Wort »Herein« von drinnen und trat ein.
Das große, teuer eingerichtete Büro bot eine wunderbare Aussicht auf die Stadt, die historischen Turmspitzen und die eigentümlichen postmodernen Wolkenkratzer – Vergangenheit und Zukunft, die, so dachte Bourne, nicht so recht zusammenpassen wollten.
Zusätzlich zu den üblichen Büromöbeln – Schreibtisch, Stühle und Schränke – gab es noch eine gemütliche Sitzecke mit einem Ledersofa und dazu passenden Stühlen, einem Glastisch, Lampen und Sideboard.
Als Bourne eintrat, stand Diego Herrera auf, trat hinter seinem Schreibtisch hervor und kam mit einem breiten Lächeln und ausgestreckter Hand auf ihn zu. Er sah seinem Vater noch ähnlicher als auf den Fotos, dachte Bourne.
»Noah«, sagte er mit tiefer herzlicher Stimme. »Willkommen daheim!«
In dem Augenblick, als Bourne seine Hand schüttelte, spürte er die Spitze eines Messers an seinem Jackett, direkt über der rechten Niere.
»Wer zum Teufel sind Sie?«, sagte Diego Herrera.
Bournes Gesicht blieb ausdruckslos. »Benimmt sich so ein Banker?«
»Hören Sie auf mit dem Scheiß.«
»Ich bin Noah Perlis, wie es in meinem Pass …«
»Einen Scheiß sind Sie«, erwiderte Diego Herrera schroff. »Noah wurde vor einer Woche auf Bali von einem Unbekannten ermordet. Haben Sie ihn umgebracht?« Er drückte die Messerspitze durch Bournes Jackett. »Sagen Sie mir, wer Sie sind, sonst lasse ich Sie hier verbluten wie ein Schwein auf der Schlachtbank.«
»Wirklich nett«, sagte Bourne und schlang blitzschnell seinen Arm um den von Herrera, sodass dieser das Messer nicht mehr bewegen konnte. »Schön ruhig, sonst breche ich Ihnen den Arm, dass er nie wieder verheilt.«
Diego Herreras dunkle Augen funkelten vor mühsam unterdrückter Wut. »Du Scheißkerl!«
»Beruhigen Sie sich, Señor Herrera, ich bin ein Freund Ihres Vaters.«
»Ich glaube Ihnen nicht.«
Bourne zuckte die Achseln. »Dann rufen Sie ihn doch an. Sagen Sie ihm, Adam Stone ist bei Ihnen im Büro.« Bourne zweifelte nicht daran, dass Herreras Vater sich an den Namen erinnern konnte, unter dem ihn Bourne vor einigen Wochen in Sevilla besucht hatte. Herrera junior schien sich von seinem Vorschlag nicht besänftigen zu lassen, deshalb wechselte Bourne die Strategie. »Ich war ein Freund von Noah«, sagte er in versöhnlichem
Ton. »Er hat mir schon vor einiger Zeit gesagt, dass ich, wenn ihm etwas zustößt, in seine Wohnung in Belgravia gehen soll. Dort würde ich an bestimmten Plätzen seinen Pass und den Schlüssel zu seinem Schließfach hier finden. Er wollte, dass ich den Inhalt des Schließfachs abhole. Das ist alles, was ich weiß.«
Diego Herrera schien ihm immer noch nicht zu glauben. »Wenn Sie ein Freund von ihm sind – wie kommt es dann, dass er nie von Ihnen gesprochen hat?«
»Ich denke mir,
Weitere Kostenlose Bücher