Das Bourne Duell
dass er Sie damit schützen wollte, Señor Herrera. Sie wissen genauso gut wie ich, dass Noah ein Leben voller Geheimnisse geführt hat. Alles war streng getrennt, auch seine Freunde und Kollegen.«
»Was ist mit seinem Bekanntenkreis?«
»Noah hatte keinen Bekanntenkreis.« Das schloss Bourne aus seinen kurzen, aber aufschlussreichen Begegnungen mit Perlis in München und auf Bali. »Das wissen Sie genauso gut wie ich.«
Diego gab einen brummenden Laut von sich. Bourne wollte schon hinzufügen, dass er auch ein Freund von Holly war, aber irgendein sechster Sinn, den er sich in langjähriger Erfahrung angeeignet hatte, warnte ihn davor. »Außerdem war ich ein guter Freund von Tracy Atherton«, sagte er schließlich.
Das schien Diego Herrera doch zu beeindrucken. »Wirklich?«
Bourne nickte. »Ich war bei ihr, als sie starb.«
Der Banker kniff die Augen zusammen. »Und wo war das?«
»In der Zentrale von Air Africa«, sagte Bourne, ohne zu zögern. »In der Gamhuria Avenue in Khartum, um genau zu sein.«
»Großer Gott.« Schließlich entspannte sich Diego Herrera. »Das war eine Tragödie, eine große Tragödie.«
Bourne ließ seinen Arm los, und Herrera klappte die Klinge des Springmessers ein und forderte ihn mit einer Geste auf, zur Sitzecke hinüberzugehen. Bourne setzte sich, während Herrera zur Bar ging.
»Auch wenn es noch ziemlich früh ist, glaube ich, dass wir einen Drink gebrauchen können.« Er goss drei Fingerbreit von einem Herradura Seleccion Suprema Tequila in zwei altmodische dicke Gläser. Eines reichte er Bourne, dann setzte er sich ihm gegenüber. Nachdem sie beide einen Schluck genommen hatten, fragte er: »Was ist denn genau passiert, können Sie mir das sagen?«
»Sie hat ein Bild überbracht«, sagte Bourne langsam. »Sie kam in ein Kreuzfeuer, als die Büros von russischen Sicherheitskräften gestürmt wurden, die es auf Nikolaj Jewsen abgesehen hatten.«
Diego Herrera hob abrupt den Kopf. »Der Waffenhändler?«
Bourne nickte. »Er hat seine Firma, die Air Afrika, dazu benutzt, seine Waffen zu schmuggeln.«
Die Augen des Bankers trübten sich. »Für wen hat sie gearbeitet?«
Bourne hob das Glas an die Lippen und beobachtete Diegos Gesicht aufmerksam, ohne es sich anmerken zu lassen. »Für einen Mann namens Leonid Danilowitsch Arkadin.« Er nahm noch einen Schluck von dem gut gereiften Tequila. »Kennen Sie ihn?«
Diego Herrera runzelte die Stirn. »Warum fragen Sie?«
»Weil …«, sagte Bourne langsam und deutlich, »weil ich ihn töten möchte.«
Er lebt , dachte Leonid Arkadin. Wjatscheslaw Germanowitsch Oserow ist nicht verbrannt in diesem Krankenhaus in Bangalore. Verdammt, er lebt immer noch .
Er starrte auf das Überwachungsfoto hinunter, das einen Mann zeigte, dessen rechte Gesichtshälfte furchtbar entstellt war. Aber er hat einiges abbekommen , dachte er und griff sich an seine eigene Wunde am Bein, die gut verheilte.
Er hatte sich in einem ehemaligen Kloster einquartiert, das so verstaubt und trocken war wie ein alter philosophischer Text. Das Kloster lag am Rande von Puerto Peñasco, einer Küstenstadt im nordwestlichen mexikanischen Bundesstaat Sonora. Aber eigentlich war alles alt und verstaubt hier in Puerto Peñasco. Was die Stadt dennoch für Touristen attraktiv machte, war der breite weiße Strand.
Puerto Peñasco war eine Stadt, die kaum jemand kannte, aber das war nur einer der Gründe, warum er sie ausgewählt hatte. Ein anderer Vorteil war, dass zu dieser Jahreszeit viele Studenten von Arizona über die Grenze kamen, um das Meer zu genießen und die Tatsache zu nutzen, dass die Polizei hier wegzuschauen pflegte, solange genügend amerikanische Dollars den Besitzer wechselten. Unter so vielen jungen Leuten fühlte sich Arkadin relativ sicher; selbst wenn es Oserow und seinen Killern irgendwie gelingen sollte, ihn aufzuspüren – so wie zuvor in Bangalore –, würden sie in dieser Umgebung auffallen wie bunte Hunde.
Er konnte sich immer noch nicht erklären, wie Oserow
ihn in Indien gefunden hatte. Immerhin hatte er Gustavo Morenos Laptop in Sicherheit gebracht und eine Verbindung zu dem Server herstellen können, der die Waffenlieferungsverträge mit seinen Kunden enthielt. Doch er hatte ein halbes Dutzend Männer verloren, und was noch schlimmer war, er hatte offensichtlich eine Sicherheitslücke in seinem System. Irgendjemand in seiner Organisation gab Informationen an Maslow weiter.
Er wollte gerade zum Strand hinuntergehen, als
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