Das Bourne Duell
falschen Leuten und bekam nur ein Drittel von dem, was er eigentlich hätte bekommen sollen. Es war jedenfalls nicht annähernd genug, und wenn jetzt nicht irgendetwas Dramatisches passiert, dann wird ihn der Kredithai umbringen.«
»Ist der Kerl so mächtig, dass er das tun kann?«
»O ja.«
»Umso besser.« Arkadin lächelte. Es machte ihm Spaß, ihr zu helfen, aber wie ein Schachspieler dachte er bereits voraus, wie er sie schachmatt setzen konnte. »Ich kümmere mich darum.«
»Ich will nur, dass Sie mich mit Oserow zusammenbringen«, erwiderte sie.
»Ich habe Ihnen schon gesagt, dass Sie ihn nicht brauchen. Ich tue Ihnen den Gefallen.«
»Nein«, beharrte sie standhaft. »Ich will nicht, dass Sie in die Sache verwickelt werden.«
Er breitete die Hände aus. »Ich bin schon verwickelt.«
»Ich will nicht, dass Sie noch tiefer hineingeraten, als Sie’s sind.« Das gedämpfte Licht fiel auf sie, als würden sie eine intime Szene in einem Theaterstück spielen und als würde sie gleich etwas sagen, was die Zuschauer den Atem anhalten ließ. »Und was Oserow betrifft – also, wenn ich mich nicht sehr täusche, dann liebt er das Geld mehr als er mich hasst.«
Arkadin lachte unwillkürlich. Er wollte ihr eigentlich sagen, dass sie nicht mit Oserow sprechen dürfe, doch irgendetwas in ihren Augen ließ ihn innehalten. Er hatte das Gefühl, dass sie dann aufstehen und weggehen würde und dass er sie nie wiedersehen würde. Und das wollte er auf keinen Fall riskieren, weil dann diese einmalige Chance, Macht über sie zu bekommen, vertan wäre.
Das zunehmende Schaukeln des Bootes ließ Arkadins Gedanken ins Hier und Jetzt zurückkehren. Er hatte das Kielwasser des Segelschoners gekreuzt und hielt nun auf seine Backbordseite zu. Über Funk wandte er sich an den Kapitän des Schiffes, mit dem er sich zuvor abgesprochen hatte.
Fünf Minuten später schaukelte er längsseits des Schoners, eine Strickleiter wurde heruntergelassen, und Boris Karpows relativ korpulente Gestalt kletterte herab.
»Ein schöner Platz für zwei Russen, um sich zu treffen, was, Oberst?«, sagte er grinsend mit einem Augenzwinkern.
»Ich gebe zu, ich kann mir durchaus Umstände vorstellen, die mir sehr viel lieber gewesen wären«, entgegnete Karpow.
»Ich in Handschellen oder tot in einer Blutlache, schätze ich.«
Karpow war etwas außer Atem. »Sie haben sich ja einen netten Ruf erworben, als zigfacher Mörder.«
»Es ist nicht leicht, einem solchen Ruf gerecht zu werden.« Es amüsierte Arkadin, dass Karpow ganz grün im Gesicht und offenbar gar nicht zum Scherzen aufgelegt war. »Keine Sorge, die Seekrankheit vergeht, sobald wir nicht mehr auf dem Wasser sind.«
Er lachte, während die Strickleiter hochgezogen wurde. Er manövrierte das Boot von dem Schoner weg und schnitt mit einem hellen Kielwasserstreifen durch die Wellen. Der Bug hob sich aus dem Wasser, als das Schnellboot beschleunigte, und Karpow setzte sich mit einem dumpfen Geräusch hin, den Kopf zwischen den Beinen.
»Stehen Sie auf«, schlug Arkadin vor, »und fixieren Sie einen bestimmten Punkt am Horizont – diesen Frachter zum Beispiel. Das macht die Übelkeit erträglicher.«
Nach einigen Augenblicken befolgte Karpow den Rat.
»Und nicht das Atmen vergessen.«
Arkadin steuerte nach Süd-Südost, und als er weit genug von dem Schoner entfernt war, stellte er den Motor ab und wandte sich seinem Passagier zu.
»Eins muss man unseren Regierungsbehörden lassen«, sagte er, »sie bringen ihren Leuten bei, ihre Anweisungen
auf Punkt und Komma zu befolgen.« Er deutete eine spöttische Verbeugung an. »Gratuliere.«
»Gehen Sie zum Teufel«, gab Karpow zurück, dann beugte er sich über den Rand des Bootes und übergab sich.
Arkadin holte die Kühlbox, die El Heraldo an Bord gebracht hatte, und nahm eine Flasche eisgekühlten Wodka heraus. »Hier auf See geht es nicht so förmlich zu. Da, nehmen Sie – ein Gruß von zu Hause, das hilft Ihnen, Ihren Magen zu beruhigen.« Er reichte Karpow die Flasche. »Aber seien Sie so gut und spülen Sie sich den Mund aus, bevor Sie trinken.«
Karpow nahm eine Handvoll Meerwasser in den Mund und spuckte es wieder aus. Dann öffnete er die Flasche und nahm einen kräftigen Schluck. Seine Augen schlossen sich, als er den Wodka hinunterschluckte.
»Das tut gut.« Er gab Arkadin die Flasche zurück. »Kommen wir zur Sache – je früher ich wieder auf festen Boden komme, umso besser.« Doch bevor Arkadin antworten
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