Das Bourne Duell
Danziger war derjenige, mit dem er seine Schachzüge umsetzte, doch darüber hinaus war er nicht wichtig. Halliday ließ schon lange niemanden mehr an sich heran – genau genommen, seit er zum ersten Mal gespürt hatte, dass der Alte nicht mehr sein Freund war. Er hatte eine Frau und zwei Kinder, gewiss, aber er dachte kaum noch an sie. Sein Sohn war Dichter – großer Gott, ausgerechnet ein Dichter! Und seine Tochter – nun, je weniger Worte man über sie und ihre Lebensgefährtin verlor, umso besser. Und seine Frau, sie hatte ihn ebenfalls verraten, weil sie zwei Kinder zur Welt gebracht hatte, die ihm nichts als Enttäuschungen bescherten. Sie begleitete ihn zwar noch zu formellen Anlässen, wo man sich als heile Familie präsentieren musste, doch ansonsten führten sie ihr Leben völlig getrennt voneinander. Es war Jahre her, seit sie zum letzten Mal im selben Zimmer geschlafen hatten, geschweige denn im selben Bett. Hin und wieder saßen sie zusammen am Frühstückstisch – für Halliday eine Qual, die er so schnell wie möglich hinter sich brachte.
Danziger beugte sich vertraulich über den Tisch. »Wenn ich irgendetwas für Sie tun kann, dann brauchen Sie es nur zu …«
»Mir scheint, Sie verwechseln mich mit einem Freund«, versetzte Halliday schroff. »Wenn ich so weit bin, dass ich Ihre Hilfe brauche, dann stecke ich mir eine Knarre in den Mund und drücke ab.«
Er stand auf und ging hinaus, ohne zurückzublicken, und überließ es Danziger, die Rechnung zu bezahlen.
Arkadin schenkte sich einen Mescal ein und ging mit dem Drink in die schwüle mexikanische Nacht hinaus,
während Karpow im Kloster schlief. Bald würde das Morgengrauen die Sterne verdrängen. Die Küstenvögel waren schon wach und tummelten sich am Strand.
Arkadin atmete den salzigen Duft ein, während er eine Nummer in sein Handy eintippte. Es klingelte lange, und er wollte schon auflegen, als sich eine raue Stimme meldete.
»Wer in drei Teufels Namen ist denn da?«
Arkadin lachte. »Ich bin’s, Iwan.«
»Also, das ist ja … hallo, Leonid Danilowitsch«, sagte Iwan Wolkin.
Wolkin war einst der mächtigste Mann in der gesamten russischen Mafia gewesen. Er hatte zu keinem Clan gehört, sondern war viele Jahre lang ein Vermittler zwischen den verschiedenen Organisationen gewesen, aber auch zwischen den Mafiabossen und den korruptesten Geschäftsleuten und Politikern. Kurz gesagt, er war ein Mann, dem so gut wie alle Mächtigen irgendetwas verdankten. Und obwohl er längst nicht mehr aktiv war, hatte sich sein Einfluss nur noch vergrößert. Er hegte außerdem eine gewisse Sympathie für Arkadin, dessen beispiellosen Aufstieg in der Unterwelt er verfolgte, seit Maslow ihn aus seiner Heimatstadt Nischni Tagil nach Moskau geholt hatte.
»Ich dachte, dass es vielleicht der Präsident ist«, sagte Iwan Wolkin. »Ich hab ihm schon gesagt, dass ich ihm diesmal auch nicht helfen kann.«
Die Vorstellung, dass der russische Präsident Iwan Wolkin anrief, um ihn um einen Gefallen zu bitten, amüsierte Arkadin ungemein. »Pech für ihn«, sagte er.
»Ich habe mich ein bisschen umgehört, was dein Problem betrifft, das du mir geschildert hast. Und es
stimmt – du hast wirklich einen Maulwurf, mein Freund. Es sind aus meiner Sicht zwei Kandidaten, die infrage kommen, aber mehr kann ich dir auch nicht sagen.«
»Das ist mehr als genug, Iwan Iwanowitsch. Ich bin dir zutiefst dankbar.«
Wolkin lachte. »Du weißt, mein Freund, du bist so ziemlich der einzige Mensch auf der Welt, von dem ich nichts will.«
»Ich könnte dir so gut wie alles geben, was du dir wünschst.«
»Das weiß ich wohl, aber ehrlich gesagt ist es eine richtige Wohltat, dass es einen Menschen in meinem Leben gibt, der mir nichts schuldet und dem ich genauso viel schulde. Zwischen uns verändert sich nichts, Leonid Danilowitsch.«
»Nein, nichts, Iwan Iwanowitsch.«
Wolkin nannte ihm die Namen der beiden Verdächtigen. »Ich habe noch eine Kleinigkeit, die dich interessieren wird. Es ist irgendwie bemerkenswert, dass keiner der beiden Verdächtigen irgendeine Verbindung zum FSB hat, und auch zu keinem anderen russischen Geheimdienst.«
»Aber für wen arbeitet dann der Spion in meiner Organisation?«
»Dein Maulwurf bemüht sich sehr, seine Identität geheim zu halten – er trägt eine dunkle Brille und ein Sweatshirt mit Kapuze über dem Kopf, deshalb gibt es kein gutes Foto von ihm. Aber der Mann, mit dem er sich getroffen hat, ist ein gewisser
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