Das Bourne Imperium
unterbringen kann? In der Polizeizentrale sitzen mindestens zwanzig Telefonisten. Sie können bei allen anrufen.«
»An der Zahl liegt es nicht, alter Freund. Es liegt an der Mentalität der Angestellten, denn das, was sie tun, ist nicht gerade ein angenehmer Job. Diejenigen von ihnen, die lesen und schreiben können, sind zu faul und zu feindselig, um sich die Mühe zu machen, und die, die es nicht können, scheuen jede Verbindung zur Polizei.«
»Eine Garage hat sich gemeldet.«
»Ein echter Kantonese. Das war der Inhaber.«
»Das muss der Besitzer erfahren!«, schrie der Parkboy in schrillem Chinesisch dem Mann hinter dem Schalter am Parkhaus an der Ice House Street zu.
»Warum?«
»Ich hab dir’s doch erklärt! Aufgeschrieben habe ich es für dich …«
»Bloß weil du zur Schule gehst und ein wenig besser schreiben kannst als ich, bist du hier noch lange nicht der große Boss.«
»Du kannst überhaupt nicht schreiben! Eine Scheißangst hast du gehabt! Mich hast du gerufen, als der Mann am Telefon ›Polizei‹ gesagt hat. Ihr Analphabeten rennt immer vor der Polizei weg. Das war der Wagen, der grüne Mitsubishi, den ich in der zweiten Etage geparkt habe! Wenn du die Polizei nicht anrufen willst, musst du es dem Chef sagen.«
»Es gibt Dinge, die sie euch auf der Schule nicht beibringen, du Knabe mit dem kleinen Organ.«
»Die bringen uns bei, uns nicht gegen die Polizei zu stellen. Das bringt Unglück.«
»Ich werde die Polizei anrufen – oder noch besser, du kannst ja den Helden spielen.«
»Gut!«
»Nachdem die zwei Frauen zurückgekehrt sind und ich mich mit der Fahrerin kurz unterhalten habe.«
»Was?«
»Sie hat gedacht, sie würde mir – uns – zwei Dollar geben, aber es waren elf. Einer der Scheine war eine Zehn-Dollar-Note. Sie war sehr nervös, aufgeregt. Sie hat Angst, sie hat nicht auf ihr Geld aufgepasst.«
»Du hast aber doch gesagt, es wären zwei Dollar.«
»Und jetzt bin ich ehrlich. Wäre ich das, wenn ich nicht auch deine Interessen im Sinn hätte?«
»In welcher Hinsicht?«
»Ich werde dieser reichen, verängstigten Amerikanerin – sie hat amerikanisch gesprochen – sagen, dass du und ich die Polizei ihr zuliebe nicht angerufen haben. Sie wird uns sofort belohnen – sehr, sehr großzügig –, weil sie begreifen
wird, dass sie sonst ihren Wagen nicht zurückbekommt. Du kannst mich ja von dem anderen Telefon aus hinten in der Garage beobachten. Nachdem sie bezahlt hat, werde ich einen anderen Boy nach dem Wagen schicken, und das wird ihm große Mühe bereiten, weil ich ihm den falschen Platz angebe, und inzwischen wirst du die Polizei anrufen. Dann wird die Polizei eintreffen, wir werden unsere Pflicht getan und so viel Geld verdient haben, wie nur selten in diesem jämmerlichen Job.«
Der Parkboy kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. »Du hast Recht«, sagte er. »So etwas bringen sie uns in der Schule nicht bei. Und ich habe ja wohl keine andere Wahl.«
»O doch«, sagte der Mann hinter dem Schalterfenster und zog ein langes Messer aus dem Gürtel. »Du kannst nein sagen, dann schneid ich dir nämlich die geschwätzige Zunge ab.«
Catherine ging auf den Tresen des Concièrge in der Halle des Mandarin zu und ärgerte sich, dass sie keinen der zwei Angestellten hinter der Theke kannte. Sie war auf eine Gefälligkeit angewiesen, und in Hongkong bedeutete das, dass man jemanden brauchte, den man kannte. Und dann entdeckte sie zu ihrer großen Erleichterung den Portier der Abendschicht. Er stand in der Halle und versuchte, eine erregte Frau zu besänftigen. Sie trat nach rechts und wartete, hoffte, Lee Tengs Blick aufzufangen. Sie hatte sich Teng warm gehalten und viele Kanadier zu ihm geschickt, wenn es Unterbringungsschwierigkeiten gab. Er war immer reichlich dafür bezahlt worden.
»Ja, kann ich Ihnen behilflich sein, Madam?«, fragte der junge chinesische Angestellte und trat auf Catherine zu.
»Ich möchte auf Mr. Teng warten, wenn es Ihnen recht ist.«
»Mr. Teng ist sehr beschäftigt, Mrs. Sehr schlechte Zeit für Mr. Teng. Sind Sie Gast im Mandarin, Mrs.?«
»Ich wohne hier im Territorium und bin mit Mr. Teng befreundet. Wann immer es möglich ist, bringe ich meine Gäste hierher.«
»Oh …?« Der Angestellte registrierte Catherines untouristischen Status. Er beugte sich vor und sagte mit vertraulich leiser Stimme: »Lee Teng hat heute Abend schrecklichen Ärger. Die Dame nimmt an dem großen Ball im Government House teil, aber
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