Das Bourne Imperium
Operation kompromittiert, von der er wusste, dass sie unter die höchste Geheimhaltungsstufe fiel«, sagte der Diplomat knapp.
»Wenn er das nicht getan hätte, hätten Sie mich nicht gefunden. Sie wären nicht auf Armeslänge an Marie St. Jacques herangekommen.«
»Armeslänge …« Havilland beugte sich vor und seine Augen blickten zornig und zugleich fragend. »Sie werden sie doch auf keinen Fall weiterhin verstecken ?«
»Wahrscheinlich nicht. Ich habe mich noch nicht entschieden.«
»Mein Gott, Frau, nach allem, was man Ihnen gesagt hat! Sie muss hierher kommen! Ohne sie haben wir verloren, haben wir alle verloren! Wenn Webb herausfinden würde, dass sie nicht bei uns ist, dass sie verschwunden ist, würde er den Verstand verlieren! Sie müssen sie ausliefern!«
»Das ist es ja, worauf ich hinausmöchte. Ich kann sie jederzeit ausliefern. Es braucht nicht dann zu sein, wenn Sie es sagen.«
»Nein!«, donnerte der Botschafter. »Wenn und falls unser Jason Bourne seinen Auftrag erledigt hat, wird es zu einer Anzahl von Telefonaten kommen, in denen direkter Kontakt zwischen ihm und seiner Frau hergestellt wird!«
»Ich werde Ihnen keine Telefonnummer geben«, sagte Catherine ruhig. »Ebenso gut könnte ich Ihnen gleich eine Adresse geben.«
»Sie wissen nicht, was Sie tun! Was muss ich denn noch sagen, um Sie zu überzeugen ?«
»Ganz einfach. Erteilen Sie John Nelson einen mündlichen Verweis. Sorgen Sie dafür, dass nichts in die Akten kommt, und behalten Sie ihn hier in Hongkong, wo die Chance am größten ist, dass man seine Fähigkeiten anerkennt.«
»Herrgott!«, explodierte Havilland. »Er ist drogensüchtig!«
»Das ist lächerlich, aber typisch für die primitive Reaktion eines amerikanischen Moralapostels, wenn man ihm nur die richtigen Stichwörter nennt.«
»Bitte, Mrs. Staples …«
»Man hat ihn unter Drogen gesetzt; er nimmt keine Drogen. Seine Grenze sind drei Wodka Martini, und er mag Mädchen. Ich weiß natürlich, dass einige Ihrer männlichen Attachés Knaben vorziehen und eine Grenze haben, die eher bei sechs Martinis liegt, aber wer zählt schon nach? Offen gestanden, mir ist es verdammt gleichgültig, was Erwachsene innerhalb der vier Wände eines Schlafzimmers tun – ich glaube einfach nicht, dass es Einfluss auf das hat, was sie außerhalb des Schlafzimmers tun –, aber Washington kann sich einfach nicht von der fixen Idee lösen, dass …«
»Also gut , Mrs. Staples! Nelson bekommt einen Verweis – von mir –, der Generalkonsul wird nicht verständigt und nichts kommt in seine Akten. Sind Sie jetzt zufrieden ?«
»Wir kommen einander näher. Rufen Sie ihn heute Nachmittag an und sagen Sie ihm das. Und sagen Sie ihm auch, dass er Ordnung in seine Angelegenheiten bringen soll, wenn er weiß, was gut für ihn ist.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein. Noch etwas?«
»Ja, und ich fürchte, ich weiß nicht, wie ich das formulieren muss, um Sie nicht zu beleidigen.«
»Bis jetzt haben Sie ja auch keine Hemmungen gehabt.«
»Jetzt habe ich aber Hemmungen, weil ich viel mehr weiß als vor drei Stunden.«
»Dann beleidigen Sie mich eben, Verehrteste.«
Catherine hielt inne, und als sie dann den Mund aufmachte, war ihre Stimme ein einziger Schrei, ein Flehen um Verständnis. Sie war hohl und füllte doch den ganzen Raum.
»Warum? Warum haben Sie das getan ? Gab es denn gar keinen anderen Weg?«
»Ich nehme an, Sie meinen Mrs. Webb.«
»Natürlich meine ich Mrs. Webb, und genauso ihren
Mann! Ich habe Sie das schon einmal gefragt: Haben Sie eigentlich eine Ahnung, was Sie denen angetan haben? Das ist barbarisch, und das meine ich im ganzen hässlichen Sinn des Wortes. Sie haben die beiden auf eine Art mittelalterliches Folterinstrument geschnallt und buchstäblich ihren Verstand und ihren Körper auseinander gezerrt und sie dazu gezwungen, mit dem Wissen zu leben, dass sie einander vielleicht nie wieder sehen werden. Jeder von beiden glaubt, dass eine einzige falsche Entscheidung, die er trifft, zum Tod des anderen führen wird. Ein amerikanischer Anwalt hat bei einer Senatsanhörung einmal eine Frage gestellt, und ich fürchte, ich muss diese Frage jetzt Ihnen stellen.… haben Sie kein Gefühl für Anstand, Herr Botschafter?«
Havilland sah Catherine Staples müde an. »Ich habe ein Gefühl für Pflicht«, sagte er, und seine Stimme klang müde und sein Gesicht wirkte dabei abgehärmt. »Ich musste schnell eine Situation schaffen, die eine sofortige Reaktion
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