Das Bourne Imperium
und begann dann ruhig: »Ich entstamme einem Maiskolben aus Ontario …«
»Ja, natürlich«, sagte der Botschafter völlig ernsthaft und sah das Telefon an.
Jetzt begriff Catherine Staples. Dieser gefeierte Staatsmann führte ein belangloses Gespräch, während seine Gedanken bei einem völlig anderen Thema weilten. Kai-tak. Immer wieder schweiften seine Augen zum Telefon hinüber; alle paar Augenblicke drehte er das Handgelenk herum, um auf die Uhr sehen zu können, und doch entging ihm keine Lücke in ihrem Dialog, wenn eine Antwort von ihm erwartet wurde.
»Mein ehemaliger Mann verkauft Schuhe…«
Havillands Kopf ruckte von der Uhr hoch. Man hätte ihm ein verlegenes Lächeln nicht zugetraut, aber jetzt huschte eines um seine Lippen. »Sie haben mich erwischt«, sagte er.
»Schon vor langer Zeit«, sagte Catherine.
»Das hat einen Grund. Ich kenne Owen Staples recht gut.«
»Das kann ich mir denken. Ich kann mir vorstellen, dass Sie in denselben Kreisen verkehren.«
»Ich habe ihn letztes Jahr beim Queens-Rennen in Toronto gesehen. Ich glaube, eines seiner Pferde ist recht gut gelaufen. Er hat in seinem Cutaway großartig ausgesehen, aber schließlich war er auch einer der Begleiter der Königinmutter.«
»Als wir noch verheiratet waren, konnte er sich nicht einmal einen Anzug von der Stange leisten.«
»Wissen Sie«, sagte Havilland, »als ich über Sie nachlas und von Owen erfuhr, war ich einen Augenblick lang versucht, ihn anzurufen. Selbstverständlich nicht, um ihm irgendetwas zu sagen, aber um mich bei ihm nach Ihnen zu erkundigen. Und dann dachte ich, mein Gott, in diesem Zeitalter höflicher Umgangsformen zwischen Geschiedenen – am Ende reden die beiden noch miteinander. Dann hätte ich mir die Pfoten verbrannt.«
»Wir reden noch miteinander. Und Sie haben sich die Pfoten verbrannt, als Sie nach Hongkong kamen.«
»In Ihren Augen vielleicht. Aber erst nachdem Webbs Frau an Sie herangetreten war. Sagen Sie mir, was dachten Sie, als Sie hörten, dass ich hier sei?«
»Dass die Engländer Sie zu Konsultationen bezüglich der Verträge hergebeten hatten.«
»Sie schmeicheln mir …«
Das Telefon klingelte, und Havilland griff nach dem Hörer. Es war Lin, der über die Fortschritte in Kai-tak berichtete, oder genauer gesagt, wie sich gleich erwies, darüber, dass sie überhaupt keine Fortschritte machten.
»Warum blasen die nicht einfach die ganze verdammte Geschichte ab?«, fragte der Botschafter zornig. »Die sollen sie in ihre Limousinen stopfen und verschwinden!« Die Antwort des Majors machte Havilland nur noch wütender. »Das ist doch lächerlich! Hier geht es nicht ums Gesicht, mir geht es um ein mögliches Attentat! Unter diesen Umständen gibt es keinen Platz für Imagepflege oder Ehre, und glauben Sie mir, die Welt hat Wichtigeres zu tun, als sich um diese verdammte Pressekonferenz zu kümmern. Der größte Teil schläft sogar, Herrgott noch mal!« Wieder hörte der Diplomat zu. Lins Bemerkungen verblüfften ihn nicht nur, sondern sie machten ihn wütend. »Der Chinese hat das gesagt? Das ist doch absurd ! Peking hat kein Recht, solche Forderungen zu stellen! Das ist …« Havilland sah Catherine Staples an. »Das ist barbarisch ! Jemand sollte denen sagen, dass es nicht darum geht, ihre asiatischen Gesichter zu retten, sondern das des englischen Krongouverneurs, und zwar wörtlich, weil es nicht nur um sein Gesicht geht, sondern um seinen Kopf!« Schweigen; die Augen des Botschafters blinzelten resigniert und zornig. »Ich weiß, ich weiß. Der rote Stern muss strahlen, und wenn die Nacht noch so zappenduster ist. Sie können nichts tun, also tun Sie Ihr Bestes, Major. Rufen Sie mich weiter an. Wie eines meiner Enkelkinder das formuliert, ›ich glaub, mich streift ein Bus‹, was auch immer das bedeuten mag.« Havilland legte auf und sah zu Catherine hinüber. »Anweisung aus Peking. Die Delegationen sollen angesichts westlicher Terrorakte nicht weglaufen. Sie sind zu schützen, aber die Schau muss weitergehen.«
»London würde da vermutlich auch zustimmen. ›Die Schau muss weitergehen‹ klingt vertraut.«
»Anweisung aus Peking …«, sagte der Diplomat leise, ohne auf Catherine zu hören. »Anweisung von Sheng !«
»Sind Sie ganz sicher?«
»Er gibt doch den Ton an. Mein Gott, er ist bereit!«
Die Spannung wuchs jede Viertelstunde, bis die Luft förmlich mit Elektrizität erfüllt war. Jetzt fing es zu regnen an, und dann ging ein Wolkenbruch nieder und
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