Das Bourne Imperium
neugierig. Sie trat auf den dunklen Treppensims hinaus, während der Chinese nach innen ging; sie hielt die Tür einen Spalt offen und wartete darauf, dass Catherine auf der Vordertreppe auftauchte. Wenn Catherine, sobald sie festgestellt hatte, dass die Wohnung leer war, schnell zur Treppe zurückeilte, um auf die Straße
hinunterzurennen, zu McAllister und den Ledernacken, würde Marie in die Wohnung zurückschlüpfen und die Kleider holen, die Catherine für sie gekauft hatte. In ihrer Panik hatte sie nur flüchtig an sie gedacht und sich stattdessen die zwei seidenen Kleidungsstücke gegriffen, um nur ja keinen wertvollen Augenblick damit zu vergeuden, im Kleiderschrank, wo auch andere Kleidungsstücke hingen, nach ihnen zu suchen. Jetzt dachte sie daran. Sie konnte nicht in der zerfetzten Bluse und mit schmutzigen Hosen durch die Straßen gehen, geschweige denn laufen. Doch etwas stimmte nicht . Es war der alte Mann! Er stand einfach da und starrte den offenen Spalt in der Tür an.
»Gehen Sie weg !«, flüsterte Marie.
Schritte. Das Klicken von Schuhen mit hohen Absätzen, die schnell die Stahltreppe im vorderen Teil des Gebäudes heraufkamen. Wenn es Catherine war, würde sie auf ihrem Weg zur Wohnung vorne am Ende des Korridors vorbeikommen.
»Deng yi deng!«, kreischte der alte Chinese, der immer noch reglos mit seinem Besen dastand und sie anstarrte. Marie zog die Tür weiter zu und hatte jetzt höchstens noch einen zentimeterbreiten Spalt, durch den sie den Korridor beobachten konnte.
Jetzt tauchte Catherine auf, warf einen kurzen, neugierigen Blick auf den alten Mann, nachdem sie offenbar seine scharfe schrille, zornige Stimme gehört hatte. Ohne innezuhalten, setzte sie ihren Weg den Korridor hinunter fort, nur darauf bedacht, die Wohnung zu erreichen. Marie wartete; das Pochen in ihrer Brust schien durch das ganze Haus zu hallen. Und dann kamen die Worte hysterisch.
»Nein! Marie! Marie wo bist du?« Jetzt hämmerten die Absätze, rasten über den Beton. Catherine bog um die Ecke und rannte auf den alten Chinesen und die Tür zu – auf sie zu. »Marie, es ist nicht, was du glaubst! Um Gottes willen, halt!«
Marie fuhr herum und hetzte die dunklen Treppen hinunter. Plötzlich stach ein gelber Strahl die Treppe hinauf und war ebenso plötzlich wieder verschwunden. Die Tür
im Erdgeschoss, zwei Stockwerke tiefer, war aufgegangen; eine Gestalt in einem dunklen Anzug war eingetreten, ein Ledernacken, der Position bezog. Der Mann rannte die Treppen hinauf; Marie kauerte im zweiten Geschoss am Treppenabsatz. Der Ledernacken erreichte die oberste Stufe, wollte gerade abbiegen, hielt sich am Geländer fest: Marie warf sich nach vorne, und ihre Hand – die Hand, in der sie die Seidengewänder hielt – krachte in das Gesicht des verblüfften Soldaten, nahm ihm das Gleichgewicht; jetzt schmetterte sie dem Soldaten die Schulter gegen die Brust, sodass er rückwärts die Treppe hinuntertaumelte. Marie hetzte an ihm vorbei, als sie die Schreie von oben hörte. »Marie! Marie! Ich weiß, dass du das bist! Um Gottes willen, hör mir zu!«
Sie taumelte in die Gasse hinaus, und jetzt fing ein anderer Albtraum an, ein Albtraum mitten im grellen Sonnenlicht von Tuen Mun. Mit blutenden Füßen rannte sie, so schnell sie konnte, durch die Verbindungsstraße hinter den Appartementgebäuden, warf sich dabei das kimonoähnliche Kleidungsstück über den Kopf und blieb dann vor den Mülltonnen stehen, wo sie die grüne Hose herunterzog und in die nächste Tonne stopfte. Dann wand sie sich die breite Schärpe um den Kopf, bedeckte ihr Haar und rannte in die nächste Seitengasse hinaus, die zur Hauptstraße führte. Jetzt hatte sie sie erreicht. Sekunden später hatte die Menschenmasse, die wie ein Stück von Hongkong war, sie aufgenommen. Sie überquerte die Straße.
»Dort!«, schrie eine Männerstimme. »Die Große!«
Die Jagd begann, aber dann war sie plötzlich, ohne jede Warnung, ganz anders. Ein Mann rannte hinter ihr her über das Pflaster, sah sich plötzlich einem mit Rädern versehenen Verkaufsstand gegenüber, der ihm den Weg versperrte; versuchte, ihn beiseite zu schieben, geriet dabei aber mit den Händen in einen Topf mit kochendem Fett. Er schrie, kippte den Karren um und sah sich jetzt dem kreischenden Besitzer gegenüber, der offenbar Geld verlangte, während er und die anderen den Ledernacken umringten und ihn auf den Boden zurückpressten.
»Da ist das Miststück !«
Marie hörte die Worte; sie
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